Mia wirft ein zweites 50-Cent-Stück ein und späht gebannt durchs Fernrohr: Schon entdeckt sie eine Sehenswürdigkeit: den Christo Rei, eine riesige Christusstatue auf der Südseite des Tejo, dem großen Fluss, der bei Lissabon in den Atlantik mündet. „Irgendwo habe ich diese Jesus-Statue doch schon mal in einem Buch gesehen“, sinniert sie leise. Ich kläre sie auf: „In Rio de Janeiro in Brasilien steht auch so eine.“ Mia staunt und findet noch ein weiteres Wahrzeichen der südeuropäischen Seefahrer-Metropole: die große, rote Hängebrücke Ponte 25 de Abril, die über den Fluss Tejo führt.

„Die Brücke sieht fast aus wie die Golden Gate Bridge in San Francisco“, verrate ich Mia, die jetzt mit ihrem Handy Fotos durch das Fernrohr schießt: „Aber die europäische Version wurde erst in den 60er Jahren gebaut, die amerikanische schon in den 30ern.“ Mia ist vom Ausblick fasziniert. Mit ihrer Länge von gut einem Kilometer ist die Lissabonner Hängebrücke zwar viel kürzer als die Golden Gate Bridge, aber mindestens ebenso beeindruckend, finden wir.

Die Stadt am Tejo: Lissabon mit Kinderaugen erkunden
Einen Teil unseres Sommerurlaubs verbringen wir dieses Jahr in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Acht Tage erkunde ich mit meinen Töchtern Sofie (12) und Mia (8) die 550.000-Einwohner-Stadt. Und wie die meisten kleinen und großen Urlauberinnen und Urlauber starten wir unsere Lissabon-Erkundungstour am Praça do Comércio: „Ist der groß!“, staunen meine Mädchen beim Anblick dieses Handelsplatzes.

Der 170 mal 170 Meter große Platz ist zum Tejo und zum Meer hin geöffnet. „Hier haben die Seefahrer früher mit ihren großen Handelsschiffen abgelegt, ihr Ziel: die vielen portugiesischen Kolonien in Afrika, Amerika und Asien“, erzähle ich meinen Kindern.
Unterwegs in Lissabon – mit Tram, Tuk Tuk & Co
Die Sonne brennt vom blassblauen Himmel, das Thermometer klettert auf über 30 Grad. Klar, dass meine beiden Mädchen nicht weit gehen möchten. So schlage ich kurzerhand vor, für die Wege bergauf eine Auto-Rischka zu nutzen, die gibt es hier an jeder Ecke. „Wie das wackelt“, lacht Mia und freut sich, dass sie nicht bergauf stiefeln muss und trotzdem viel von Lissabon sieht. Das Tuk Tuk fährt uns durch die Alfama, das älteste Stadtviertel Lissabons, dann weiter durch Graça bis nach Baixa, das als historischer Stadtkern der Hauptstadt gilt. Zwischendurch stoppen wir immer wieder an einem der vielen, wunderschönen „Miradouros“, den Aussichtspunkten über der Stadt.

Lissabon: Stadt mit traumhaften Ausblicken
„Ein Pfau“, rufen die Kinder begeistert und sprinten los, als wir hoch oben beim Castelo de São Jorge ankommen. Die Festungsanlage thront mit ihren Türmen, den Wachposten und dem Burggraben weit oben über Lissabon. Ich lasse meine Blicke erst über die alten Gemäuer schweifen und dann über Lissabon, über die vielen roten Dächer, über den Tejo und den weiten Atlantik. Was für ein Ausblick!, denke ich still und kann mich nur mühsam losreißen. Aber die Mädchen möchten im Schatten der Pinien picknicken, wie viele andere Familien auch.

„Der Wind pfeift ganz schön hier oben“, jammert Sofie. Deshalb machen wir uns irgendwann wieder auf den Weg hinunter. Wir streifen den „Miradouro de Santa Luzia“, den für mich zweitschönsten Aussichtspunkt Lissabons. Hier biegen sich pinkfarbene Bougainvillea-Sträucher über wunderschöne, blau-weiße Fliesendekorationen. Und der Blick reicht bis zu den großen Schiffen im Hafen. Ein Traum!
Lissabons Westen: Besuch in Belém
„Wo ist denn jetzt der berühmte Turm“, drängelt Mia, als wir an Tag fünf in der Straßenbahn sitzen. Unser Ziel heute: Belém, etwa acht Kilometer westlich von Lissabons Altstadt und direkt am Teho gelegen. „Noch eine kleine Weile“, vertröste ich meine Tochter. Meine Gedanken schweifen ab. Was die Menschen hier für ein Glück hatten, dass sie nahezu vollständig verschont wurden vom großen Erdbeben 1755.

Erster Stopp in Belém: Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Prachtkloster Mosteiro dos Jerónimos, das zum Weltkulturerbe zählt. Wir werfen bewundernde Blicke auf die Fassaden, dann wandern wir weiter, zum „Denkmal der Entdeckungen“ (Padrão dos Descobrimentos), das den portugiesischen Entdeckern aus dem 15. und 16. Jahrhundert gewidmet ist. Und am späten Nachmittag ist es endlich soweit: Wir stehen vor dem berühmten Torre de Belém, der 1515 vom portugiesischen König Manuel I. in Auftrag gegeben wurde und ursprünglich als Leuchtturm diente. „Das ist ja romantisch hier“, findet Mia, als die Sonne langsam hinter dem Turm verschwindet und die Meereswellen zu beiden Seiten um das Bauwerk schlagen.

Cabo da Roca: Der westlichste Punkt Europas
„Das geht ja steil runter“, staunen die Mädchen, als wir an der spektakulären Felsenklippe Cabo da Roca stehen, dem westlichsten Punkt des europäischen Festlands. Vor uns stürzt sich das Land 140 Meter in die Tiefe. Der Wind weht uns um die Nase, wir bewundern die Aussicht auf Meer und Felsen und beobachten ein paar Wagemutige, die in der rauen Felsenlandschaft klettern.

Portugals Hauptstadt mit Kindern erkunden
Zurück in Lissabon bleibt uns nicht mehr viel Zeit: „Wir müssen unbedingt noch mit der Seilbahn fahren“, findet Mia. Gesagt, getan: Die Rundfahrt dauert pro Weg zwischen acht und zwölf Minuten und bietet einen fantastischen Weitblick auf die mit über 17 Kilometern längste Brücke Europas, die Ponte Vasco da Gama.

An der Südseite der Seilbahn steigen wir aus und machen es uns auf den Wiesen am Tejo gemütlich. Später werden wir uns im Abendsonnenlicht von der Seilbahn wieder zur Nordseite tragen lassen. „Wenn wir noch einen Tag länger bleiben könnten, hätten wir noch Zeit fürs Ozeanarium“, sagt Mia beim Anblick des imposanten Gebäudes. Stimmt, denke ich. Es gäbe noch so viele Programmpunkte. Ich würde gern noch mit der berühmten Straßenbahn 28 fahren und einmal im Time Out Market essen. Und auch die LXFactory stand eigentlich noch auf meinem Programm, das Hipster- und Künstler-Biotop. „Nächstes Mal“, verspreche ich – und meine das ganz ehrlich. Lissabon, wir kommen wieder!
Geheimtipp unserer Autorin
Probiert unbedingt mit euren Kindern portugiesische Pastry. Ein Besuch in den vielen Bäckereien lohnt sich, nicht nur wegen der lokalen Atmosphäre. Hier findet man neben den klassisch süßen Pasteis de Nata bzw. Pasteis de Bélém (Puddingtörtchen mit Blätterteig) auch viele unbekannte Leckereien, zum Beispiel herzhaft mit Queijo (Käse) oder Bacalhau (Kabeljau) gefüllte Teilchen.
















