Wie wir auf diese Idee gekommen sind, wissen wir inzwischen nicht mehr. Wir hätten auch in die Alpen reisen können wie jede andere Familie auch. Ein bisschen Skifahren plus ein bisschen Jausen-Zauber. Stattdessen landen wir dort, wo sich Husky und Rentier Gute Nacht sagen: in der watteweichen und schneeweißen Einsamkeit von Finnisch-Lappland – nördlich des nördlichen Polarkreises. Hier warten Winterfreuden der ganz anderen Art: Touren mit Rentier- und Hundeschlitten, Eisangeln und Schneeschuhwanderungen. Und ein Besuch beim einzig wahren Weihnachtsmann. Aber dazu später.

Winter-Abenteuer in Finnland – für Familien ein Erlebnis!
Der erste Morgen. Schnee lastet auf den Tannen und auf den Dächern der Kesämökki, wie die Finnen ihre hölzernen Ferienhütten nennen, schwer und meterdick. Minuten des Staunens vergehen, ehe meine drei Kinder losstapfen können. Weit und breit nur Schnee, kein Dorf, kein Supermarkt, kein Restaurant. Nur finnische Einsamkeit, ein Dutzend Hütten und minus 32 Grad, wie wir an der Rezeption erfahren. “Doch für morgen erwarten wir einen Temperaturanstieg von zehn Grad”, tröstet eine naturblonde junge Finnin namens Siiri. Soll mich das beruhigen? Wir frühstücken und denken nach. Trösten uns damit, dass es in den Alpen auch verdammt kalt sein kann. Und lassen uns anschließend von Wildnis-Guide Jaakko ausrüsten: mit Thermoanzügen, Wollsocken und warmen Handschuhen, mit Schal, Mütze und Stiefeln.

Helm auf, Augenschutz runter, den Gashebel ziehen und schon kann’s losgehen – so ungefähr lässt sich die kurze Einführung ins ABC des Motorschlittens zusammenfassen. Als die Kinder die riesig-wirkenden Helme überstülpen, hege ich Zweifel. Ist das wirklich eine gute Idee? Kann ich noch schnell die Notbremse ziehen? Während ich noch darüber nachdenke, nehmen meinen Mann und mein Ältester auf der monströsen Maschine Platz und drängen zur Abfahrt. Ich kuschele mich mit den zwei Jüngeren unter die Decken, die im Anhänger liegen und schicke ein kurzes Stoßgebet zum Himmel: Bitte lieber Gott, lass alles gut gehen! Dann setzt sich eine Kolonne von rund 15 Motorschlitten ruckartig in Gang.

Vorsichtig tuckern wir durch einen Vorhang aus dicken Schneeflocken, werden schneller und schneller, knattern durch dichte Tannenwälder, hügelab und hügelauf. Bis wir irgendwann auf einem eisigen, freien Feld ankommen, unter dem sich ein See befinden soll, wie Jaakko behauptet. Wie dick ist das Eis? “Vielleicht 80 Zentimeter, vielleicht ein bisschen mehr”, sagt er, schraubt einen langen, dünnen Handbohrer ins Eis und bohrt ein Loch.
Winterurlaub auf finnisch: eisangeln, schneeschuhwandern, Motorschlitten fahren

Wir angeln, fangen aber nichts. Verkriechen uns stattdessen nach einer knappen halben Stunde in ein typisches Lappenzelt, in deren Mitte ein Feuer lodert mit einem Kessel darauf und heißem Beerensaft darin. Essen Rentier-Gulasch aus geschnitzten Schüsselchen. Und lauschen Geschichten: zum Beipiel der über den Polarfuchs, der mit seinem silbernen Schweif über den Schnee streicht und so die nächtlichen Nordlichter erzeugt.
Wie verabredet treffen wir uns am nächsten Morgen um zehn vor dem Hoteleingang: zum Schneeschuhwandern. “Was ist das?” will mein 10-Jähriger wissen und zeigt auf die überdimensionalen Teller. Jakkoo klärt uns auf, erzählt, dass die Schneeschuhe aus Nordamerika kommen und Indianer und Trapper damit früher im Winter durch die Landschaft gestapft sind. Wir tun es ihnen gleich und stolpern los. Fuß vor Fuß vor Fuß. Über Querfeldein-Pfade, durch unberührte Schneelandschaften, in denen allenfalls Spuren von ein paar Rentierhufen zwischen den Tannen zu finden sind. Bis die Beine meines Jüngsten bleischwer sind und er eine Pause auf Mamas Rücken braucht. Aber da sind wir auch schon fast am Ziel unserer Wanderung: wieder in einem Lappenzelt mitten im Wald.

Aufregend für Eltern und Kinder: eine Hundeschlittentour
Am nächsten Morgen treibt uns Jaakko vom Frühstücksbuffett geradewegs hinaus, um uns zur Hundefarm zu kutschieren, ganz genau: zu einem Rudel zuckersüßer, blau-äugiger Huskys, die tief im verschneiten Wald leben, jeder in einer kleinen hölzernen Hütte und mit einer klirrenden Eisenkette um den Hals. “Schlafen die auch hier?” will meine Tochter von Artuu wissen, von einem langhaarigen und ganz in Leder gekleideten Hühnen mit einem großen Messer im Gürtel. Und: “Wie alt sind die Babys? Frieren die nicht? Was fressen sie?”

Der Hundemann, wie mein Jüngster Artuu später taufen wird, erzählt und dirigiert, bis irgendwann vor jedem Schlitten sechs Huskys warten, wild kläffend und voller Ungeduld, “weil sie endlich losstürmen wollen”, wie Artuu erklärt. Auf sein Zeichen setzt sich die Kolonne in Bewegung, Die Vierbeiner rasen in die erste Kurve, der Schlitten mit uns Fünfen hebt fast ab, stolpert über eine Bodenwelle, fängt sich wieder und schlittert kurz darauf gleichmäßig durch einen tief-verschneiten Waldabschnitt. Weiter, immer weiter. Über einen zugefrorenen See. Bis wir eine Stunde später zurück in Artuu’s Reich sind und bei nur noch minus zwölf Grad und heißem Saft erfahren, was die Hunde am liebsten tun: nämlich Fußball spielen.

Wirklich weihnachtlich: der Besuch bei Santa Claus
Lappland macht Karriere als Winterziel, vor allem im Joulukuu, im Weihnachtsmonat. Im Dezember fallen im Santa Claus Village jede Menge kleine und große Weihnachtsmann-Besucherinnen und -Besucher ein, die allesamt Joulupukki die Hand schütteln möchten, dem wahren und einzig echten Weihnachtsmann. Santa Claus nickt bedächtig, als wir zu ihm vorgelassen werden. Dann wendet er sich meinen Kindern zu, die ehrfürchtig schweigen und schauen, fragt sie nach ihren Wünschen und verrät sein Leibgericht (“süsser Milchreis”) und seine Adresse (Santa Claus, Joulupukin Pääposti, 96930 Napapiiri, Finnland) – “Schreibt ihr mir?” Und: “Grüßt ihr Rudolf von mir?”

Santa Claus scheint das für diese Region typische Urlaubsprogramm zu kennen, am Nachmittag landen wir bei Rentier Rudolf und seinen Gefährten, die geduldig darauf warten, einen Schlitten über die verschneiten Wege zu ziehen. “Hei hei”, ruft einer der Hirten und drückt mir die Zügel in die Hand.

Es dauert ein paar Momente, bis ich begreife, dass ich es bin, die Rudolf sagen soll, wo’s lang geht. Und noch länger, bis meine Kinder überzeugt davon sind, dass ich kann, was ich tue. Erst dann können wir die Schlittenfahrt genießen, die deutlich gemächlicher ist als die mit den Huskys. Auch, weil sich unser Zugtier unterwegs gern von vermeintlich Essbarem zu einem Stopp verführen läßt.
Und danach? Stürzen wir kalt aber glücklich in die Sauna, in der wir erfahren, dass mein Jüngster nun nicht mehr Busfahrer sondern Motorschlittenfahrer werden will, wenn er groß ist. Dass das Christkind fortan out und der Weihnachtsmann in ist. Und dass alle drei Kinder beschlossen haben, nie wieder Rentier-Gulasch zu essen. Trotzdem: Finnland, minä rakastan sinua. Ich liebe dich.

Ganz ähnliche Reisen wie die, von der wir euch hier erzählt haben, findet ihr im Winterprogramm von Wolters Reisen.