Frankreich: Familienferien auf dem Hausboot

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Wer mit dem Hausboot durchs französische Loire-Tal schippert, braucht dafür keinen Führerschein. Lumao hat sich auf große Fahrt durch kleine Kanäle begeben und gesehen: Das ist ein Riesenspaß für Familien!

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Was zur Hölle heißt nochmal „lever“? Warum ist hier weit und breit niemand zu sehen? Und: wie können wir unser Schiff ohne Schleusenwärter drei Meter tiefer hieven? Wir liegen in einer Schleuse namens Maimbray kurz vor dem mittelalterlichen Städtchen Belleville-sur-Loire in Burgund, in einem schmalen Wasserlauf zwischen dichtem Grün. Das vordere Schleusentor ist geschlossen, aber die hinteren Eisentüren verharren reglos und offen in ihren Angeln, dazwischen: unser Hausboot.

Schiff und Schleuse sind genauso wie Leinen und Fender ein großer Abenteuerspielplatz

Wir zucken ratlos mit den Schultern. „Die müssen was damit zu tun haben”, ruft mein Sohn Tim und deutet auf die zwei spargeldünnen Eisenstangen, über denen ein Schild prangt: „Lever pour ecluser“. Ich fluche auf die dürftigen Überreste meiner ehemals akzeptablen Französisch-Kenntnisse und auf automatische Schleusen. Tim schiebt. Drückt. Zieht an den Stangen. Da tut sich was! Die hinteren Tore schließen automatisch. Der Schleusengang beginnt.

Einige der Schleusen auf der Loire benötigen Muskelkraft ¬– gerne auch die der Kinder

Alles im Fluss: mit der Familie auf dem Hausboot

Eigentlich sind wir schon echte Profis, zumindest haben wir uns so gefühlt, bis gerade, bis zu jener Schleuse, in der wir ohne Schleusenwärter zurechtkommen müssen. Die Kinder können inzwischen Schleusen, Schiffe und Schilf so gut zeichnen wie letzte Woche noch Auto und Haus. Wir sind nicht einmal auf Grund gelaufen und schon gar nicht mit der Uferböschung kollidiert. Und dass, obwohl die Fahrt auf dem Canal Latéral à la Loire unsere erste Hausboot-Tour ist.

Bei der Einweisung gibt es auch ein paar Tipps im Umgang mit den Leinen

Rückblende. Samstagmittag in dem kleinen Dörfchen Châtillon-sur-Loire, auf einem schmalen Kanal, der sich neben der Loire durch Burgund und das Loiretal schlängelt. Die kleine Flotte Hausboote lag vor mächtigen, braun-grauen Häusern, meine Kinder stürmten an Bord unserer „Elegance“, eines gut dreizehn Meter langen Schiffes, mehr Motor- als Hausboot. Wir räumten Einkäufe und Gepäck aus, ließen uns kurz einweisen, legten einmal probehalber ab und wieder an. Und schmissen am späten Nachmittag endlich, endlich die Leinen los.

Ab jetzt geht es unter Brücken hindurch und an alten Dörfern vorbei

Nichts für Streckenrekorde: Familienurlaub auf dem Hausboot

 „Papa, wann gibst du eigentlich mal Gas?” Farne wucherten über das Ufer, lila blühende Disteln, Scharfgabe, dahinter Ahornbäume, Eschen, Buchen. „Das darfst Du machen!“ Michael räumte schon nach wenigen Kilometern den Platz am Steuerstand und überließ Tim das Steuerrad. Der strahlte, legte den Gashebel um und wartete. Vergeblich. „Acht Stundenkilometer, schneller kann unser Schiff nicht fahren“, klärte Michael ihn auf, „wenn du dich ein bisschen anstrengst, kannst Du nebenherlaufen.“

Bei den entspannten Geschwindigkeiten können auch die Kinder mal ans Steuer

Niemand mietet ein Hausboot, um Streckenrekorde aufzustellen. Der Reiz der Reise liegt in der Gemächlichkeit. Darin, dass Biber hin und wieder ihre pelzigen Köpfe aus dem Wasser strecken und nebenher schwimmen, dass Fischreiher vor dem Bug ins Wasser stoßen und mit einem kleinen Wels im Schnabel wieder auftauchen, in der Möglichkeit, überall dort festzumachen, wo es einem gefällt.

In vielen Revieren Europas kann man ohne Führerschein in Fluss stechen. Man kann im Handumdrehen lernen, ein Schiff zu steuern, an- und abzulegen. Sogar eine Schleuse zu durchfahren wirkt spätestens an Tag zwei schon kinderleicht.

Wunderbar erholsam und auch aufregend: Hausbooturlaub in Frankreich

Nach ein paar Tagen Kurs Nord schlugen wir wieder einen Südkurs ein. Wir tuckerten abermals an unserem Ausgangsort Châtillon-sur-Loire vorüber. Am Steg rangierte ein Kahn der gleichen Baureihe hektisch, um im dritten Anlauf den Anleger so zu erwischen, dass es keine Trümmer gab. Die Schiffsschraube quirlte im Rückwärtsgang das Wasser schaumig, Enten flohen. Als das Manöver erfolgreich abgeschlossen und das Schiff festgemacht war, nickten wir rüber, von Seemann zu Seemann. Und dachten: Gut, dass wir nicht alle Manöver unter den wachsamen Augen anderer Crews absolvieren müssen.

Viele Urlauber auf Hausbooten sind das erste Mal mit einem Schiff unterwegs

Zurück in der Schleuse von Maimbray. Das Wasser schießt in die Schleusenkammer, es gurgelt und schäumt, fällt tiefer und tiefer. Tim sichert vorn die Leine und Nora hinten. „Hol mal dichter!” weist Tim seine kleine Schwester an. Und: „Papa, leg mal den Vorwärtsgang ein!“ Ich genieße die Untätigkeit, lasse Blicke und Gedanken schweifen und finde es wunderbar, dass Tim und Nora so viele wichtige Aufgaben zu erledigen haben.

Unterwegs und beim An- und Ablegen können die größeren Kinder gut mit anpacken

Ferien auf dem Hausboot: Schiffe, Schleusen und reichlich Schilf

In den nächsten Tagen wuchert links und rechts wieder Grün, kleine Dörfer ziehen vorbei: Léré, Les Fouchards, Les Chenus. Dann schiebt sich der wenig attraktive Anleger von Saint-Satur ins Blickfeld und dahinter Sancerre. Wir binden unsere „Elegance“ fest und stürmen los, zu Beginn noch schnell, dann immer langsamer. Den Hügel hinauf, weiter und immer weiter. Und dann die Stufen zur „Tour du Fief“, die Überreste des Schlosses des Grafen von Sancerre hinauf. 200 Stufen sind es bis ganz nach oben! „Wer zuerst oben ist!“, rufe ich meiner Familie zu. Oben sind wir zwar erschöpft, aber überwältigt. Sanft hügelig und plüschgrün liegt uns das Loiretal zu Füßen, hin und wieder Weinreben in Reih und Glied, historische Dörfer, hier und da ein Schloss.

Wie viele Gegenden in Frankreich ist auch das Loiretal ein bekanntes Weinanbaugebiet

Von hier geht die Fahrt durch vier Schleusen La Charité-sur-Loire entgegen, das rund zweieinhalb Kilometer vom Anleger entfernt liegt. Wieder eine blumengeschmückte mittelalterliche Stadt, wieder grobe Sandsteinfassaden, Bäckereien, die durch die schmalen Gassen duften. Nur durch eines unterscheidet sich La Charité-sur-Loire von all den anderen kleinen Städtchen am Wegesrand: es gibt Buchhändler über Buchhändler, “deshalb wurde sie auch zur Bücherstadt gekürt”, wie das Tourismusbüro vor Ort mit Stolz erklärt. Dann schickt man uns zum nächsten Highlight: zur ruinösen Basilika Sainte-Croix-Notre-Dame, einst einer der größten und schönsten Sakralbauten ganz Frankreichs, die im Jahre 1429 von Jeanne d’Arc besetzt worden ist.

Frisches Baguette ist in Frankreich Grundnahrungsmittel und gehört zu jeder Mahlzeit

Nach 36 Schleusen sind Eltern und Kids Hausboot-Profis

Am Anleger von Nevers sind nahezu alle Plätze belegt, warum, wissen wir schnell. Nevers ist eine kleine Perle. Die Kathedrale, der Herzogspalast, die mittelalterlichen Fassaden und die weiten, blankpolierten Plätze. Wie hier bedeutet der Hausboottourismus fast überall am Canal Latéral à la Loire „big business“, die Dörfer am Kanal, die urigen Gasthäuser, sogar die kleinen Läden leben von den Bootstouristen. Alles hat sich herausgeputzt in den letzten Jahren, überall wuchern Blumen aus Kästen und Töpfen.

Alte Orte wie Nevers und viele Sehenswürdigkeiten säumen die Loire

Morgen werden wir in Gannay unsere Leinen festmachen, ein letztes Mal. Dann werden wir 36 Schleusen durchfahren und jede Menge Tore aufgekurbelt haben, wir werden in vielen kleinen Dörfer angelegt und mit bewundernden Blicken die 662 Meter lange Kanalbrücke von Briare durchschippert haben. Wir können inzwischen Bussarde an ihren Schwanzfedern erkennen, wissen, dass Tim in jedem Wettrennen gegen die „Elegance“ die Nase vorn hat. Wir können über die Unterschiede zwischen Auf- und Abwärtsschleusen referieren. Und die Kinder werden nicht einmal mehr gefragt haben, ob das Schiff auch schneller fahren kann. Ach ja, und ganz nebenbei habe ich auch meine Französisch-Kenntnisse aufpoliert: „Lever pour ecluser“ das heißt: zum Schleusen hier drücken!

Festmachen wann und wo es einem gefällt ist eine der großen Freiheiten von Hausbootferien

Infos: Familienferien auf dem Hausboot

Auf dem Canal latéral à la Loire, der sich über weite Strecken neben der Loire durch die Landschaft schlängelt, kann der Bootsurlauber problemlos überall festmachen – in den kleinen Häfen, an den Anlegern und auch in freier Natur (dann werden zwei überdimensionale Nägel in die Erde geschlagen und die Leinen daran festgezurrt). Frischwasser kann man sich an nahezu jedem kleinen Anleger besorgen.

Eine Flussfahrt auf dem Canal latéral à la Loire stellt keine besonderen navigatorischen und seemännischen Ansprüche an den Kapitän, es gibt keinerlei Berufsverkehr, kaum Strömungen, Untiefen etc. Und die meisten der fast 40 Schleusen auf dem beschriebenen Abschnitt werden von Schleusenwärtern unterhalten.

Auf der Kanalbrücke von Briare ist kein Platz für Gegenverkehr: first come – first go

Einkaufen: Empfehlenswert ist, sich zu Beginn der Reise mit Grundnahrungsmitteln und Getränken einzudecken (zum Beispiel im 15 Kilometer entfernten Gien). Alles Nötige für den täglichen Bedarf sowie frische Lebensmittel sind dann aber auch in den kleinen Dörfern und häufig auch bei den Schleusenwärtern erhältlich. Besonders die lokalen Weine und die selbstgemachten Marmeladen, die immer wieder angeboten werden, sind sehr empfehlenswert.

Die Küche an Bord bietet alles, was für die Selbstversorgung notwendig ist

Anreise: Die Anreise ist per Auto möglich, ab Freiburg sind es rund 500 Kilometer bis zu den Ufern des Canal latéral à la Loire. Alternativ kann man bis Paris fliegen und von dort aus in den Mietwagen umsteigen.

Viele Hausbootvermieter bieten als Extra auch die Mitnahme von Fahrrädern an

Infos: Weitere Informationen über das Tal der Loire und Burgund erteilen Atout France sowie das regionale Tourismusamt der Region Centre.

Hier erfahrt ihr, welche Reviere besonders gut für Familien geeignet sind: Vier Hausbootreviere für Familien

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