Tanzend schweben feine Schneeflocken vom milchig-weißen Himmel, sie legen sich auf die dunklen Tannen des Zillertals und auf die Mützen meiner Kinder. Harri Pitkäniemi wischt sich einmal über die Augen, um wieder klare Sicht zu haben, dann fragt er meinen Jüngsten: „Wie groß bist du?“ Jakob streckt sich ein wenig und sagt schüchtern „einsdreiundsechszig“. Harri nickt, scannt kurz Jakobs Geschwister Tim und Nora, meinen Mann und mich ab und verschwindet in einem verschneiten Schuppen.

Ein Hit für Eltern und Kinder: Snowbiken
Harri, Mitte 40, wird uns gleich im Einmaleins des Snowbikens unterweisen. Der gebürtige Finne ist Fachmann für dieses Gefährt, das aussieht wie eine Mischung aus BMX-Rad und Schlitten. Vor zweieinhalb Jahrzehnten ist er hier im Zillertal gelandet, „rein zufällig“, wie er sagt. Seitdem bringt er Touristen das Skifahren und Snowbiken bei, wobei Snowbiken viel einfacher sei, wie er gleich behaupten wird.

Während Tim und Nora sich mit Schneebällen bewerfen, überlegen Jakob und ich, ob wir Harris Einschätzung trauen können. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf so einem Ding die Berge runterfahre!“, sage ich und runzele meine Stirn. Ich tauge auch als Skifahrerin nichts. Berge sind mir zu steil, und meine Knie- und Fußgelenke scheinen ihrem wahren Alter weit voraus zu sein. Ob ein Snowbike das besser macht?
Snowbiken ist ein Kinderspiel!
Harri Pitkäniemi stellt eines der gelben Dinger in die Mitte. Dort, wo beim Fahrrad normalerweise die Räder sitzen, befinden sich Miniskier. Pedalen? Fehlanzeige. „Bremsen gibt’s auch nicht“, platzt Harri in meine Gedanken. „Doch keine Angst, man kann trotzdem stoppen. Und versprochen: Snowbiken ist ein Kinderspiel!“ Dann fährt er fort: „Die Arme müssen immer gestreckt und die Knie dicht am Bike belassen sein“, so der Finne. „Und Kurven fährt man, indem man den Kopf sachte in die gewünschte Richtung dreht. Dadurch drehen sich Hüfte und Oberkörper – und die Links- oder Rechtsdrehung ergibt sich quasi von alleine.“

Keine zehn Minuten später liegt uns das Zillertal zu Füßen. Schnee lastet schwer auf den Tannen. Nur noch vereinzelt schweben Flöckchen vom inzwischen blauen Himmel. „Nun einfach hinsetzen, das Bike Richtung Abhang drehen – und los!“, weist Harri uns an. Ich lasse mich auf meinen Sattel sinken, schaue auf Jakob, der seinen Lenker hin und herdreht, auf Tim und Nora, die bereits die ersten Meter bergab rutschen. Dann drehe ich zaghaft den Lenker Richtung Abhang – und das Snowbike setzt sich in Bewegung.

Snowbiken im Zillertal – ein Spaß für die ganze Familie
Direkt neben mir gleitet Jakob die Piste runter, erst ganz langsam, kurz darauf immer schneller. Ich rufe ihm zu, was Harri uns eben mit auf den Weg gegeben hat: „Du musst den Kopf Richtung Berggipfel wenden. Dadurch bewegen sich Hüfte und Oberkörper – und die Kurve ergibt sich quasi von selbst!“ Jakob schaut hinunter, dann zum Gipfel, und tatsächlich fährt das Snowbike eine kleine Kurve. „Das ist ja wirklich total einfach!“, höre ich meinen Jüngsten rufen.

Harri grinst breit, als wir alle begeistert am Fuße des Abhangs ankommen. „Sag ich doch, ein Kinderspiel! Und jetzt die nächste Lektion.“ Die nächste Lektion, damit meint er das Liftfahren, und das ist, wie sich schnell herausstellt, die einzige kleine Schwierigkeit beim Snowbiken.

Dabei klang es eben ganz einfach: Das Bike unter den Arm klemmen, durch die Sperre gehen und auf einen der Randplätze des Sessellifts warten. Doch der Weg Richtung Lift ist vereist, mein Bike bleibt im Drehkreuz des Liftes hängen – und ich falle hin. Warum können meine Kinder so etwas eigentlich auf Anhieb?, frage ich mich still.
Skifahren, snowbiken, schlemmen
Ein paar Pistenfahrten später habe sogar ich den Bogen raus. „Jetzt habt ihr euch eine Pause verdient!“, findet Harri. Wir strecken unsere Gliedmaßen in den Liegestühlen der Kristallhütte aus, unter uns flauschige Lammfelle, rundherum schneebedeckte Bergspitzen. Ich schließe meine Augen, spüre, wie sich leichter Muskelkater ausbreitet und lausche Harris Worten. Die Kristallhütte sei die angeblich beste Skihütte weit und breit, erzählt er, sie sei immer mal wieder zur Skihütte des Jahres gekürt worden. „Ist der Kaiserschmarrn auch zu empfehlen?“, fragt Jakob. Harri bejaht, und kurz darauf stiefelt Jakob los – Kaiserschmarrn bestellen.

In den kommenden Tagen erkunden wir das Zillertal auch auf Skiern. Wir flitzen die Pisten hinunter, blaue und auch rote, und ein paar mal liefern wir uns auch Rennen mit Schlitten. Mittags kehren wir in Skihütten ein und schlemmen Kaiserschmarrn mit Kompott. Doch irgendwann sind wir wieder reif fürs Snowbike. Also leihen wir wieder diese komischen Gefährte und ich stolpere hinter meiner Familie her – rein in den Lift und dann hinauf auf den Gipfel, um mit unseren zitronengelben Schneerädern hinunterzuwedeln.

Snowbiken ist wie Pilates auf der Piste
Am letzten Tag kurven wir noch einmal ein paar blaue Pisten hinunter. Wir schweben hinauf auf die Gerlosplatte und dann auf die Karspitz, machen Rast auf Berghütten, in Rosis Schnitzelhütte nahe der Abfahrt 18 beispielsweise, wo es die größten Schnitzel weit und breit gibt. Und während ich mir ein Stück Kaiserschmarrn in den Mund schiebe, denke ich: Eigentlich eine gute Erfindung, diese Snowbikes. Zumal Harri mir auf einer Liftfahrt verraten hat, dass sie gut für Bauch, Beine und Po sind. Wie Pilates auf der Piste!
