Ein echter Abenteuerurlaub: Wer in der Sächsischen Schweiz klettern lernt, wächst über sich selbst hinaus. Und kommt mit einem guten Gefühl nach Hause.
„Da soll ich hoch?“ Marius Kopf liegt im Nacken, seine Augen klettern senkrecht in die Höhe, suchen nach Halt, nach kleinen Möglichkeiten, in die er möglicherweise seine Finger einhaken könnte. „Da hoch?“ murmelt er fragend und mehr zu sich selbst als zu den anderen. Der Kletterlehrer gibt beruhigende letzte Anweisungen. Kleine Tipps am Rande: Immer den Blick nach oben richten. Konzentrieren. Keine Angst haben. Ruhig Blut, du bist ja gesichert.

Die Sandsteinfelsen sehen aus wie natürliche Wolkenkratzer
Klettern im Elbsandsteingebirge, genauer gesagt: in der Sächsischen Schweiz. In einer märchenhaften Landschaft aus Kletterfelsen, die aussehen wie natürliche Wolkenkratzer. Hier kann man unter fachmännischer Anleitung lernen, an diesen Felsnadeln hochzuklettern, zum Beispiel bei Falk, einem Muskelpaket von Mitte dreißig, im wahren Leben Zimmermann in Berlin. Im Grunde passt er da ähnlich gut hin wie Britney Spears nach Dithmarschen, denkt man. Eher würde man ihm zutrauen, ein Jahr lang mit Wölfen im Wald zu hausen. Oder eben eine Horde Flachlandtiroler steile Felsen hochzujagen.

Klettern: Ein Abenteuer für die ganze Familie
Das Gestein knirscht unter Marius Füßen, seine Muskeln sind angespannt. Ein Schritt, noch ein Schritt. Marius Knie sind durchgedrückt, seine Hände umklammern das Seil. Ich habe gedacht, ich schaff das nicht, wird er später seinen Eltern erzählen. Und dass es sich dann echt gut angefühlt hat. Bis dass er aus dem Augenwinkel seinen Papa unten stehen sah. Gott, ist der klein, hat er da gedacht. Und: Nee, der ist ja gar nicht klein. Oh Gott, bin ich schon weit oben. Was, wenn ich jetzt falle … Wird mich das Seil halten?
Zur Belohnung gibt’s einen Gipfel-Rundumblick!
Es hat ihn nicht gehalten, es musste ihn nämlich gar nicht halten. Marius hat die ersten neun senkrechten Meter seines Lebens allein geschafft. Ohne Fallen. Ohne Hilfe. Genau wie die sechs anderen Kletterneulinge. Jetzt sitzen alle oben, der Gipfel-Rundumblick ist ihre Belohnung: Die Sächsische Schweiz liegt ihnen zu Füßen.

Canyons heißen hier Grottenwart und Satanskopf
„Warum liegt die Schweiz in Sachsen?“, will Marius wissen. „Liegt sie nicht“, sagt Falk, „naja, nicht die richtige auf jeden Fall. Die richtige Schweiz liegt in der Richtung“, meint er und deutet gen Südwesten. „Das hier ist die Sächsische Schweiz, so benannt, weil zwei Schweizer sich hier an ihre Heimat erinnert gefühlt haben und deshalb der Bergwelt bei Dresden den Namen Sächsische Schweiz gegeben haben.“ Dabei sieht es hier weder wie in Graubünden noch wie im Berner Oberland aus. Rundherum liegen zerklüftete Canyons, schlanke Tafelberge und bullige Felstürme, die Grottenwart und Satanskopf heißen und auch so aussehen. Rund 1100 Gipfel ragen hier in den Himmel, viele behaupten, das sei das genialste Kraxelgebiet der Welt.

17.000 Kletterstiege gibt es in der Sächsischen Schweiz
Sachsen legt Wert auf die Feststellung, dass das Felsklettern – heutzutage Freeclimbing genannt – hier im Elbsandsteingebirge zu höherer Kunst entwickelt worden ist, und das schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Heute klettern hier immer und überall menschliche Bergziegen, vom Anfänger bis zum Vollprofi, allein, zu zweit oder in Gruppen organisiert. Zu Beginn auf Übungsplätzen, an künstlichen Wänden, die so viele kleine Löcher haben, dass sie an Schweizer Käse erinnern. Und später dann auf einem der rund 17.000 verschiedenen Wege, die Kletterern in der Sächsischen Schweiz zur Verfügung stehen.

„Und wie sollen wir da jetzt wieder runterkommen?“, will Marius wissen. „Abseilen, mit Achterknoten und durchgedrückten Beinen“, spult ein Mädchen aus der Gruppe das Wissen ab, das sie in den ersten zwei Tagen gelernt hat. Die Kleingruppe hat Theorie und Praxis von Knoten gelernt, von Knoten zum Sichern, zum Runterkommen und zum Festhalten. Sie haben Griffe und Tritte geübt und Körperhaltungen, kurzum, alles, was man für die ersten Besteigungen steiler Wände so wissen muss. „Also los jetzt, runter mit euch“, sagt Falk zu seinen Schützlingen und macht allen Mut.

Am Ende sieht man, was man geschafft hat
Marius fängt an. Letzte Anweisungen: Mit einer Hand das Seil führen, mit der anderen Hand festhalten. Beine durchdrücken. „Keine Angst, ich halte Dich“, sagt der Klettermeister. Trotzdem hat Marius ein mulmiges Gefühl, Bedenken, dass etwas schief gehen könnte. Warum macht man das hier? Wo man doch stattdessen durch die Nordseedünen rennen oder über Seen paddeln könnte! „Weil es ein gutes Gefühl gibt“, wird Falk am Abend erzählen. Er weiß, wie es üblicherweise abläuft: Zuerst hadern die Menschen, sie haben Bedenken, es nicht zu schaffen. Dann fassen sie sich ein Herz, raffen allen Mut zusammen. Und am Ende sehen sie, sie haben es geschafft, sie kommen da hoch und auch wieder runter. „Das gibt einfach allen ein gutes Gefühl! Deshalb lohnen sich die Mühen und der Muskelkater!“

Wer Höhenangst hat, kann nicht klettern
Natürlich kommt es manchmal auch anders. Manche wagen nur ein paar wenige Schritte auf einer kleinen Felsnadel und wollen dann wieder runter. „Ja, gegen Höhenangst kann ich nichts ausrichten“, weiß Falk aus Erfahrung. Dabei ist noch nie etwas passiert auf einer der organisierten Klettertouren, auf denen Fischköpfe und andere Flachlandtiroler den waagerechten Gang lernen”, erzählt er, während er das Seil durch seine kräftigen Hände gleiten lässt. „Es ist ein kalkulierbares Risiko. Aber manche schaffen es nicht, den Mut aufzubringen, um den Grottenwart oder Satanskopf hochzuklettern.“

Nach fünf Tagen Klettern ist man fast schon ein Profi
Nach ein paar Tagen ist die kleine Gruppe reif für eine größere Tour. Sie packen die Rucksäcke, schmieren Stullen und füllen Flaschen, hängen Gurte und Seile um und schnappen sich die Helme. Dann geht‘s per Auto ins Bielatal, hier scheint die Landschaft nur aus bewaldeten Tälern und Felsnadeln zu bestehen.
Einfach top: Familienferien in Felsspalten
Überall entlang des Weges hängen knorrige, vom Wetter gegerbte Baumzwerge, Kiefern, die sich mit der kleinsten Felsspalte als Wurzelplatz zufriedengeben. Die Gruppe marschiert eine Zeit lang wie eine Entenfamilie durch dichtes Grün, Falk voran, danach Marius und all die anderen. Dann ist es soweit. Sie stehen vor ihrem ersten Felsen. Zehn Meter hoch, vielleicht zwölf, eine Wand, die aussieht wie eine raue Kirchenmauer. Da sollen sie hoch. „Kein Problem“, findet Marius und möchte am liebsten zuerst rauf. Aber der erste in der Wand ist immer Falk, der Sicherungsleinen einhängt und den Weg prüft. Erst dann darf der Rest der Truppe die Wand besteigen.

Bäume und Felsen, soweit das Auge reicht
Zur Belohnung gibt es wieder einen Rundumblick, dieses Mal allerdings einen, der schöner und weitläufiger ist als alle zuvor. „Die Bäume da hinten“, erklärt Falk und zeigt gen Osten, „stehen schon auf tschechischem Boden.“ Dichter Wald bedeckt die Hügel, dazwischen schlängelt sich das blaue Band der Elbe durch die Landschaft. Ein Raddampfer schaufelt sich durchs Elbtal und in der Ferne sehen sie die Silhouette einer mittelalterlichen Festung, in der vor Urzeiten mal Raubritter hausten. „Sieht toll aus von hier oben, oder?“, fragt einer in die Runde. Aber Marius will nur runter. Und wieder rauf auf den nächsten Felsen.
Infos zum Klettern im Elbsandsteingebirge
Weitere Infos zum Klettern im Elbsandsteingebirge gibt’s beim Tourismusverband Sächsische Schweiz. Noch mehr Tipps für Familien liefert Sachsen Tourismus auf einem Aktivblog.
