„Schaut mal, man kann von hier aus den See sehen!“, rufe ich begeistert, lehne mich weit über das Geländer der Loggia und lasse den Blick vom Hügel unseres Ferienhauses hinunter zum Wasser schweifen. Rundherum erstrecken sich saftig grüne Wiesen und Weinberge, ein paar von meterhohen Zypressen umringte Anwesen verteilen sich in der Landschaft, und dahinter funkelt und glitzert der südliche Zipfel des Gardasees. Ein Panoramablick wie aus dem Bilderbuch. Jette (10), Tom (8) und Cousin Tjark (7) lassen ihre Koffer fallen und kommen angesaust. „Wow, da ist ja auch ein Pool mit Sprungbrett“, jubeln sie unisono und stürmen los.


Viele Kopfsprünge und waghalsige Ritte auf einem aufblasbaren Einhorn später liegen wir erschöpft, aber glücklich auf den Holzliegen am Pool und bekommen eine erste Ahnung vom italienischen „dolce far niente“, dem süßen Nichtstun. „Das ist doch ein vielversprechender Anfang“, freue ich mich. Denn der Gardasee ist absolutes Reise-Neuland für uns und für meine Schwestern, die samt Kind und Kegel ebenfalls mit von der Partie ist. Eine Reise als Großfamilie – wenn das nicht typisch italienisch ist …
Eine vielseitige Urlaubsregion: der Gardasee
Unsere Unterkunft liegt am Ortsrand von Padenghe sul Garda im Südwesten des Gardasees. Freunde hatten uns während der Urlaubsplanung erzählt, dass der größte See Italiens viele schöne Gesichter hat. Während er im gebirgigen Norden dank der Nähe zu den Alpen und eines etwas raueren Klimas ein Paradies für Aktivurlauber und Wassersportler ist, zeigt sich der Süden mediterraner. Perfekt für Sonnenanbeter und kleine Wasserratten – und somit ideal für uns.

Ein erster Bummel durch den 5.000-Seelen-Ort bestätigt unsere Wahl: Ein kleiner Altstadtkern, ein langer Strand und eine imposante Burg aus dem 10. Jahrhundert versprühen italienisches Wohlfühl-Flair.
Die Lombardei – ein Land der Burgen und historischen Altstädte
Letztere steht am nächsten Tag auf dem Ausflugsprogramm. „Da kann man sogar drin wohnen“, stellt Tom erstaunt fest und betritt den Innenhof des Castello di Padenghe, in dem sich heute eine idyllische Wohnsiedlung mit hübschen Gärten befindet. Das absolute Highlight aber ist der Blick vom Turm: auf den Gardasee und das Veltènesi, das üppig grüne Hinterland des Sees.

Diese Festung bildet den Auftakt einer ganzen Reihe an Burgen, die wir während unseres Urlaubs noch besichtigen werden, so zum Beispiel das Castello di Moniga und – absolut empfehlenswert – die Rocca di Lonato.

Nach so viel Kultur möchten die Kids gern Eis essen, und so bummeln wir von der Burg hinunter zum Centro Storico. Kurz darauf landen wir in einer Eisdiele mit einer riesigen Auswahl an selbstgemachtem Gelato. Mit Cioccolato und Pistacchio, Stracciatella, Limone, Mandorla, Fragola und vielen, vielen weiteren Sorten. Das schmeckt ja zum Dahinschmelzen!, denke ich, nachdem ich meins gekostet habe. Und sage dann laut in die Runde: “In Italien gibt es einfach das beste Eis der Welt!”
Kleine Buchten mit Steinstränden
Erfrischung bringt später auch der Gardasee, den wir über einen etwas versteckten Zugang erreichen. Überhaupt merken wir im Laufe des Urlaubs: Es ist manchmal gar nicht so leicht, einen öffentlichen Strand zu finden. Oftmals gibt es private Strandbäder, für die man Eintritt zahlen muss.

„Hier gibt es ja gar keinen Sand“, meint Tjark verwundert, als wir am Ufer des Sees stehen. Tatsächlich bestehen die meisten Strände am Gardasee typischerweise aus Kies – manchmal mit angrenzenden Liegewiesen. „Zieht einfach eure Schwimmschuhe an“, sagt mein Mann. Und mit denen ist es herrlich angenehm im Wasser. An die Steine gewöhnt man sich ebenso wie an die kleinen Fischschwärme, die ab und zu unsere Waden streifen.
Sirmione – ein touristisches Highlight am südlichen Gardasee
Am nächsten Morgen zeige ich beim Frühstück auf der Loggia Richtung Gardasee. „Seht ihr die Halbinsel da hinten? Das ist Sirmione, unser heutiges Ziel.“ Wenig später bummeln wir schon durch die kleinen Gässchen und Piazzas mit Cafés, Boutiquen und Souvenirläden und vorbei am Castello Scaligero, einer imposanten Scaligerburg aus dem 14. Jahrhundert.

Eine kleine Bimmelbahn bringt uns am äußersten Ende der Halbinsel den Berg hinauf bis zur „Grotte di Catullo“, einer verfallenen römischen Villa. „Planänderung – da ist heute Ruhetag“, stellt meine Schwester nach einem Blick auf das Schild an der Eingangspforte fest. „Macht nichts, hier soll es einen tollen Strand geben“, tröste ich. Tatsächlich, der Jamaika-Beach sorgt mit flachem, türkisfarbenem Wasser und einer loungigen Cocktail-Bar für einen Hauch Karibik-Ambiente.
Ab aufs Wasser – auch ohne Bootsführerschein

Den Strand sehen wir schneller wieder als gedacht, und zwar vom Wasser aus. Im Yachthafen in Moniga del Garda mieten wir uns einige Tage später ein Motorboot. Auf dem Gardasee darf man sich auch ohne Bootsführerschein ein Boot ausleihen. Nach einer kurzen Einweisung geht es in Schwimmwesten ab aufs Wasser. „Hui, das schaukelt ja ganz schön!“, werfe ich leicht beklommen in die Runde, als wir den südlichen Gardasee durchqueren. Die Kinder freuen sich an jeder Welle, über die unser kleines Boot springt. Nur bei meiner Schwester und mir wechselt die Gesichtsfarbe langsam ins Grünliche. „Guckt mal, da ist der Jamaika-Beach“, ruft mein Mann gegen den Fahrtwind an und zeigt auf das rund 50 Meter entfernte Sirmione. Das ist die Chance für meine Schwester und mich. Ein Blick reicht, dann ist die Entscheidung gefallen: Wir springen ins Wasser und genießen die Stunden lieber am Strand als an Bord. “Sammelt uns später einfach wieder ein“, rufe ich den anderen zu. Und während wir Cocktails schlürfen und uns in der Sonne aalen, haben mein Mann und die Kinder den Spaß ihres Lebens. „I gusti sono gusti“, sagt der Italiener. Jedem das seine …

Die Region um den Gardasee bietet Top-Attraktionen
Die Tage ziehen dahin und bestehen aus einem bunten Mix aus Ausflügen, Strand-Besuchen und Pool-Time. Ein Tagesausflug zum rund 50 Kilometer entfernten Lago d`Idro steht ebenso auf dem Programm wie Städtebummel durch Salò, Bardolino und Brescia. Trotz der sommerlichen Temperaturen machen die Kinder ohne Murren mit – viel zu schön sind die Städte, um die Stimmung mit Genörgel zu vermiesen.

So auch Verona, die „Stadt der Verliebten“. Den Beinamen trägt die an der Etsch gelegene Stadt nicht ohne Grund. Sie ist Schauplatz von Shakespeares Romeo und Julia und versprüht mit ihrem mittelalterlichen Altstadtkern romantischen Charme. „Mama, was sind das denn für Briefe?“, möchte Jette am Eingang zur „Casa di Giulietta“ wissen und bestaunt die vielen Hundert Briefchen an der Mauer.

„Hier ist es Tradition, Julia um Rat zu bitten, wenn man unglücklich verliebt ist“, erkläre ich und versuche, die handgeschriebenen Zettel in allen erdenklichen Sprachen zu entziffern. Weitere Highlights im Innenhof: der Balkon aus der wohl berühmtesten Szene des Dramas sowie eine vergoldete Julia-Statue. „Hier steht, dass es Glück in der Liebe bringt, Julia an die Brust zu fassen“, liest meine Schwester aus dem Reiseführer vor. Na, dann mal los – nur die Männer und Jungs zieren sich und verlassen sich lieber auf ihr eigenes Glück …

Den Gardasee aus luftiger Höhe genießen
„Wow, was für ein Wahnsinns-Ausblick“, schwärme ich. Es ist der letzte Urlaubstag und wir stehen nach einer schweißtreibenden Wanderung hoch oben auf dem Rocca di Garda, einem rund 300 Meter hohen Berg im Westen des Gardasees. „Wenn ich das hier so sehe, dann müssen wir auf jeden Fall nochmal wiederkommen – und dann in den gebirgigen Norden des Gardasees“, schlage ich vor und lasse den Blick schweifen. Aus dieser Höhe überblicken wir den gesamten südlichen See, sehen kleine Städte mit rotbedachten Häusern, Promenaden und Marinas, Weinberge und Olivenhaine und im Hintergrund die Berge und Plateaus, die dem Gardasee als malerische Kulisse dienen. „Unsere Freunde hatten Recht“, denke ich, „der Gardasee hat wirklich viele Gesichter – eines schöner als das andere …“
