Könnten die Steine hier reden, hätten sie wohl viel zu erzählen. Dann würde das abgelaufene Pflaster von früher plaudern, als Rovinj sich hinter hohen Mauern verstecken musste, vor Seeräubern und später dann auch vor den Genuesern. Und es würde auch von den Zeiten erzählen, als der Handel mit Wein und Oliven das Städtchen reich gemacht hat.
Rovinj, das ist ein kleiner Ort an Istriens Westküste, auf jener Halbinsel ganz im Nordwesten Kroatiens. Nur fünf, sechs Autostunden von München entfernt, kann man hier bald seine Zehen in den watteweichen Sand bohren. Auf den fast 250 Kilometern Küstenlänge zwischen Umag im Norden und Pula an der südlichsten Spitze dieses Dreiecks trifft man immer wieder auf malerische Fischerorte, die es mit jedem Freilichtmuseum aufnehmen könnten. Aber dazu später.

Rovinj in Istrien: eine Ritterstadt wie aus einem Bilderbuch
“Mensch Mama”, sagt Tim, und seine Stimme, die Art, wie er das erste a von Mama betont und langzieht, lässt keinen Zweifel daran, dass er meine Idee für eine Schnapsidee hält, bestensfalls. „Nach Rovinj fahren! Häuser anschauen! Und Kirchen!“ Er muss sich nicht lange bemühen, die zwei jüngeren Geschwister auf seine Seite zu ziehen. Nora lässt die Mundwinkel hängen und Jakob schmeißt sich auf den Boden. „Ich will aber nicht in eine Stadt, ich will keine Kirchen angucken, ich will schwimmen!“ Ich zähle stumm, 21, 22, 23, denke, nur die Ruhe, und packe eine Tasche zusammen mit allem, was man so braucht für einen Familien-Tagesausflug in ein Städtchen. Sie werden schon sehen.

Ja, sie werden schon sehen. Schließlich ist Rovinj nicht irgendein Städtchen, nein, es gilt als eines der schönsten ganz Istriens und als das italienischste, und baden kann man dort auch, sogar mitten im Ort. Ich denke an die Marktfrauen in ihren bunten Kitteln. An die Fischer. An die Eisverkäufer.

Ehe ich in Gedanken noch weitere Argumente suchen kann, taucht Rovinj vor uns auf, alte postkartenschöne Fassaden, holprige Gassen, die Kirche hoch oben auf einem Hügel, der schlanke, graue Glockenturm, der sich in den sommerblauen Himmel reckt. Ich atme tief ein. Und denke, dass es die richtige Entscheidung war, hierherzufahren. Auch Familienferien können doch nicht nur aus schwimmen und spielen bestehen!
Perfekt für Eltern und Kinder: Rovinjs kleiner Stadtstrand
Erstmal ein Eis, das hebt die Stimmung. Und dann durch die Gassen schlendern und zum Hafen, den Fischern beim Flicken der Netze zusehen. Als wir durch das Balbi-Tor wandern, entdeckt Nora den steinernen Löwen, „der hat ja Flügel!“ Und Jakob sagt: „Hier sieht’s ja aus wie in einer Ritterstadt! Gibt’s hier noch Ritter?“ Ehrfurcht liegt in seiner Stimme, er lässt seine Blicke die jahrhundertealten, schiefen Mauern hinaufklettern, seine Hand gleitet über die Steine. Die Luft wirkt feucht hier in den schmalen Gassen. Wenn du hier Ritter sehen willst, bist du zu spät, scheinen die Steine zu wispern, viel zu spät.

Irgendwann am Nachmittag sitze ich unterhalb der alten Stadtmauer auf rauem Stein und schaue auf die Wellen, die leise an Land gurgeln. Komm’ rein ins Wasser, flüstern sie weich, schschsch, schschsch. Der Wind trägt das Läuten des Glockenturms der Euphemia-Kirche an uns vorbei und aufs Meer hinaus. Die Kinder schwimmen, schnorcheln, springen von flachen Felsen ins azurblaue Wasser. Und ich denke: Was für ein wunderbarer Landstrich Istrien doch ist.
Ziele für Familien: Pula, Porec, Vrsar, Novigrad, Umag
Istriens – das sind vor allem diese kleinen, malerischen Küstenorte. Pula ganz im Süden, das die Römer vor 2.000 Jahren zu einer prächtigen Stadt ausgebaut haben und wo ich mich gern noch von Studenten in Legionärskleidung und Sandalen durch die antiken Trümmer des Amphitheaters führen lassen würde. Porec mit seiner dreischiffigen Euphrasius-Basilika, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Der 2.000-Seelen-Ort Vrsar am Rande des Limskikanals, das historische Novigrad und das mittelalterliche, auf einer Landzunge gelegene Umag, in dessen Nähe sich unser Feriendomizil befindet. Alles Orte, die aus alten Palazzi, marmorglänzenden Plätzen und holprigen Gassen bestehen.
Kroatien: Fünf Inseln für Familien
Seid ihr reif für die Insel(n)? Dann haben wir einen guten Tipp für euch, eigentlich fünf gute Tipps: kroatische Inseln, die wie geschaffen sind für den nächsten Familienurlaub.
Meist pustet hier die Bora eine warme Brise durch die Gassen, lässt die Blüten der Bougainvillen wippen und die Blätter der Olivenbäume. Und das Meer ringsherum ist so sauber, als wäre es gerade aus einer Quelle gesprudelt.

Istrien (Kroatien): top Region für Familien
Die kommenden Tage verbringen wir am Meer, sehen ihm dabei zu, wie es in kleinen Wellen auf Felsen blubbert, wie es hin und wieder ein bisschen Seetang mitbringt und manchmal auch eine winzige Krabbe. Hier in Umag ist alles auf Urlaub eingestellt, hier fahren nicht mal Fischerboote aufs Meer hinaus. Stattdessen: Tretboote. Kanus. Motorboote. Segelboote. Paraglider.

Einmal besteigen wir morgens ein altes hölzernes Schiff und schippern nach Porec. Ein anderes Mal leihen wir uns Tretboot und Kajak und treiben uns in der sichelförmigen Bucht von Umag herum, paddeln, fahren Kreise auf die spiegelglatte See, baden in diesem betörend weichen Wasser. „Wie wunderbar das Wasser ist!“, schwärme ich und erfahre von meinem Mann, dass schon Jacques-Yves Cousteau das Meer hier für das Sauberste weit und breit hielt.

Parenzana-Radweg – ein Highlight im Hinterland Istriens
Aber auch Istriens Hinterland ist einen Besuch wert. Der Tipp eines Barbesitzers: eine Fahrradtour auf dem Parenzana-Radweg, auf dem früher die alte k.u.k.-Schmalspurbahn schnaufte und der inzwischen mit EU-Mitteln zum Fahrradweg umfunktioniert wurde.

Wir schwingen uns auf fünf Mountainbikes, die silbrig-schimmernden Blätter der Olivenbäume rascheln in der sanften, warmen Brise. Der Lavendel verströmt seinen betörenden Duft. Dörfer, in denen die Uhren schon vor Jahrzehnten stehen geblieben sind, ducken sich ins Grün. Ist es nicht ein bisschen wie in der Toskana hier? Damir, ein alter Bauer, den wir nahe Livade treffen, nickt, sagt, „ja, ein bisschen, aber unsere Städte sind nicht so rausgeputzt, sie sind, wie sie immer schon waren.“ Damir lächelt breit und brummt ein „Arrivederci“. Man lebt zweisprachig in Nordistrien, man grüßt mit „Dober dan“ oder mit „Buon giorno“, auch die Straßenschilder sind zweisprachig.

Fazit: Istrien ist ideal für Familienferien
Der letzte Abend. „Fahren wir nochmal in die Ritterstadt?“, will Jakob wissen. „Da war so ein cooler Badeplatz!“, begeistert sich Tim. Ich schüttele den Kopf, sage nein, leider nicht, und werde ganz wehmütig. Gerade habe ich mich an Istrien gewöhnt, an das Gurgeln des Meeres, das sich morgens als erstes in meine Träume vorarbeitet, an die Ausflüge mit Kajak und Tretboot, an die Abende am Meer und das wunderbar weiche Wasser. „Aber alles, was wir noch nicht gesehen haben”, so verspreche ich, “Motuvun zum Beispiel und Pula, Novigrad und den Rest des Parenzana-Radweges, schauen wir nächstes Jahr an.“ „Ja“, antworten die drei, „und Rovinj!“
