Am Anfang war alles blöd. Die Fahrt mit der Fähre war viel zu kurz, „und Autos gibt es da auch keine?” Marlin, 6, schaute, wie nur einer schauen kann, der den Großteil seines Kinderlebens damit verbracht hat, Spielzeugautos auf dem Boden rumzuschieben. Kurz nach der Ankunft gab es weiteren Grund zum Murren: „Hier stinkt es nach Pferdeäpfeln, und mit der Kutsche fahren ist auch total blöd!“ Marlins Mutter Heike schloss die Augen, schmeckte das Salz auf ihren Lippen, spürte eine laue Brise auf ihrer Haut und fragte sich leise: Was tun, wenn alles blöd ist?

Schmal, klein und fein: Hiddensee
Ihr Rezept gegen die Griesgrämigkeit eines Sechsjährigen lautete: Erstmal ab an den Ostseestrand. Auspacken? Sich in der Ferienwohnung einrichten? Das hat Zeit bis später. Die Mittdreißigerin aus Niedersachsen kramte den Fußball heraus, Schaufeln und Eimer und streunte mit ihrem Sohn gen Westen durch die Dünenheide. „Den kriegst Du nicht!“, rief sie ihrem Sohn hinterher, als er versuchte, einen karamellbraunen Haflinger einzuholen, der über eine Weide trabte. Er kriegt ihn doch, und kam milde lächelnd zurück. Dann glitzerte es zwischen den zarten Halmen und das Rauschen wurde lauter. „Da ist das Meer!” schrie Marlin und rannte los. Seine Mutter sah ihm dabei zu, wie er den Fußball im hohen Bogen in den watteweichen Sand schoss und dem Meer entgegenjagte.
Familienurlaub auf Hiddensee – herrlich!
Das war vor drei Tagen. Seitdem haben Mutter und Sohn das Eiland erkundet, ja, selbstverständlich immer mit zwei, drei Pausen am Strand, wäre ja blöd sonst. Marlin hat Hunderte von Herzmuscheln gesammelt. Sie sind ein halbes Dutzend Mal den einzigen Pfad der Insel hoch- und runter geradelt, kennen inzwischen nahezu jedes Reetdachhaus, den Geschmack von Sanddornnektar und die meisten Fischer aus dem kleinen Hafen in Neuendorf. Und haben sich täglich in die weichen Sitzkissen des Café Kanne sinken lassen, in dem es ofenwarmen Apfelkuchen gibt, „den besten der Welt“, wie Marlin behauptet.

Hiddensee: Hinterm Strand wuchern Magergras, Thymian und Heckenrosen
Hiddensee. Aus der Kranichperspektive sieht die Ostsee-Insel ein bisschen wie ein schlankes Seepferdchen aus, ist fast 17 Kilometer lang und an manchen Stellen nur einen Steinwurf breit. Sein gesamter Rücken gleitet sanft und sandig ins Meer, dahinter wuchern Magergras, Thymian und Heckenrosen, im Osten fressen Kühe die frisch-grünen Salzwiesen kahl. Und die rund 1300 Einheimischen verteilen sich auf drei mehr oder weniger ernst zu nehmende Dörfer.

Eine Insel, perfekt zum Radfahren: Hiddensee
„Wir könnten heute in Vitte ins Kindertheater gehen”, schlägt die Niedersächsin am nächsten Morgen vor. „Oder wie wäre es mit einem Ausflug ins Vogelschutzgebiet ganz im Süden der Insel, wo Schnepfen, Sandregenpfeifer und Zwergseeschwalben nisten?” Marlin schüttelt den Kopf und zeigt auf den Leuchtturm, der laut Karte ganz im Norden thront. „Da würde ich gern hin”, sagt er, „mit dem Fahrrad, weil Rad fahren hier viel mehr Spaß macht als zu Hause.“
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Familienurlaub auf Rügen: die besten Tipps
Warum wir euch die Ostsee-Insel Rügen für den nächsten Familienurlaub ans Herz legen? Dafür gibt es wirklich viele Gründe. Die wichtigsten verraten wir euch hier!
Hiddensees Leuchtturm hat schon Albert Einstein angelockt
Nach fünf Kilometern, sechs rasanten Kutschen-Verfolgungsjagden und einer Verschnaufpause erreichen Mutter und Sohn Kloster, das nördlichste Dorf, wo die Wege nicht asphaltiert und die Gärten zauberhaft grün sind. Sie toben über die staubigen Pfade. Bestaunen den pausbackigen Engel, der vom Dach der Inselkirche herabhängt wie ein Kronleuchter.

Und machen noch einen kurzen Abstecher ins Naturschutzgebiet Dornbusch, ganz genau: zum Leuchtturm, wo es schon Albert Einstein, Thomas Mann und Billy Wilder hingezogen hat. „Und das ist der höchste Berg, den es hier gibt?”, fragt Marlin lachend und mit Blick auf den 72 Meter hohen Bakenberg. Nach einer kurzen Pause ruft er: „Wer zuerst oben ist!”
In Sichtweite: Hiddensees große Schwester Rügen
Später werfen sich die beiden lachend ins Gras und lassen ihre Blicke über die Sanddornbüsche, den gelb blühenden Besenginster und die Boddenlandschaft bis nach Rügen wandern. „Was ist das?”, will Marlin wissen und deutet auf Hiddensees große Schwesterinsel. „Rügen“, sagt seine Mama, und: „Da steht unser Auto.” Marlin überlegt kurz, dann sagt er: „Autos sind blöd. Sie stinken und machen Krach.” Und: „Können wir mal wieder hierher fahren?”

Die wichtigsten Infos zum Familienurlaub auf Hiddensee
Trampelpfade statt Straßen, Pferdewagen statt Autos: Doch Hiddensee ist nicht nur autofrei, die kleine, schmale Insel westlich von Rügen ist auch (und vor allem in Vor- und Nachsaison) frei von Hast, Hektik und Nightlife. Wer hierher reist, sucht wie einst schon Ringelnatz und Kafka, wie Freud und Hauptmann, Ruhe und Einsamkeit. Einen Hafen sowie Unterkünfte gibt es in jedem der drei Orte, im Hauptort Vitte ist die touristische Infrastruktur jedoch am dichtesten.

Familien bevölkern die Insel das ganze Jahr, vor allem aber natürlich in den Sommerferien. Deshalb hat sich die Insel auch voll und ganz auf Kinder eingestellt – mit Kindertheater, Veranstaltungsprogrammen und Kutschfahrten. Und natürlich finden Sie auch überall Hochstuhl, Wickeltisch etc. Weitere Informationen gibt es auf der Website der Insel Hiddensee, hier findet ihr auch eine Vielzahl an Unterkünften. Die Insel ist mit der Fähre ganzjährig ab Schaprode/Rügen zu erreichen, Infos dazu erteilt die Reederei Hiddensee. Ebenfalls empfehlenswert: der Kinderreiseführer Ostsee for kids.

Infos zu noch mehr autofreien Inseln gibt’s hier!
Hallo Herr Knips, vielen Dank für Ihre Korrektur! Sie haben recht – ich verwandele den Stechginster gleich in Besenginster. Grieben wurde tatsächlich auf jener Produktion nicht angesteuert, aber wir werden dem kleinen Ort bei Gelegenheit einen Besuch abstatten und dann auf Lumao davon erzählen.