Familienurlaub in Frankreich: Mit dem Planwagen durch die Vogesen

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Ein Zugpferd, das rund 900 Kilogramm wiegt, dazu ein Planwagen, rund acht Quadratmeter groß und mit allem ausgestattet, was man so braucht – das sind die Zutaten für diesen außergewöhnlichen Familienurlaub: Mit 1 PS geht’s durch die französischen Vogesen.

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„Guckt mal, da hinten stehen die Pferde!“, ruft Aurelia (11), noch bevor wir aus dem Auto aussteigen. „Welches wir wohl bekommen?“ Kaum sind wir auf dem Pferdehof von Corinne und Thomas angekommen, hält es auch Theodor (7) nicht mehr bei uns. Er rennt zusammen mit seiner großen Schwester zur Pferdekoppel, reicht Gräser über den Zaun und geht auf Tuchfühlung mit den Pferden. Meine Frau Nele und ich werfen derweil einen ersten vorsichtigen Blick auf die Holzwagen, die auf dem Parkplatz des Hofes stehen. Einer von denen wird in der kommenden Woche unsere Ferienunterkunft sein. Unser erster Eindruck: Klein, aber gemütlich!

Liebe auf den ersten Stups: Kutschpferd Volnay und Aurelia ©Knud Harms

Wir befinden uns in den südlichen Ausläufern der Vogesen, ganz genau: in Fontenois-la-Ville, einem 130-Seelen-Ort etwa 200 Kilometer westlich von Freiburg gelegen. In diesem Gebiet gibt es ungefähr zwei Dutzend schnörkellose Dörfer, von denen keines auch nur einem meiner Reiseführer bekannt ist. Hier starten die Planwagen-Touren mit Pferd, und hier bekommen wir auch wenig später unsere „Roulotte“, wie jene Holzwagen genannt werden. Wir, das sind meine Frau Nele und ich und unsere Kinder Anton (14), Aurelia und Theodor.

Vier auf einem Bock: Lumao-Autor Knud mit Familie mit ihrem Feriengespann ©Knud Harms

Mit dem Planwagen durch Frankreich – können das auch Pferdelaien?

Unsere Roulotte ist schnell erkundet. Auf rund acht Quadratmetern pferchen sich Küche, Schlafzimmer und Wohnzimmer zusammen. Es gibt ein Etagenbett und eine Sitzecke, die sich im Handumdrehen zu einem Doppelbett umbauen lässt. Einen kleinen Gasherd, eine Spüle und einen Vorrats- und Kühlschrank, zudem etwas Stauraum und eine kleine Heizung für die kälteren Monate.

Klein, aber sehr zweckmäßig: der Planwagen, oder wie man hier sagt, die Roulotte ©Knud Harms

Was unsere Roulotte sonst noch zu bieten hat und kann, erfahren wir bei der Einführung von Thomas, er erklärt uns alles, was wir wissen müssen. Das Kutscher-ABC und jeden Handgriff, alles über die Gasflasche, die Deichsel und die Bremsen. Wir lernen, dass wir an jeder Übernachtungsstation einen Stromanschluss vorfinden und frisches Wasser für uns und das Pferd aufnehmen können.

Manchmal treffen sich die kleinen und großen Planwagenfahrerinnen und -fahrer beim Mittags- und Abendstopp ©Knud Harms

Ob wir als absolute Pferdelaien wohl mit Pferd und Wagen klarkommen werden?, fragen meine Frau und ich uns im Stillen, während wir das Gepäck in unserer Roulotte verstauen. Die Kinder scheinen weniger Bedenken zu haben. Als wir unser Kutschpferd namens Volnay kennenlernen, verspüren wir jedoch alle Respekt. „Der ist ja riesig”, stellt Aurelia beim Anblick des rotbraunen Wallachs leise fest.

Volnay ist ein Kaltblutpferd der Rasse Comtois, die es hauptsächlich in Frankreich und der Schweiz gibt ©Knud Harms

Ich denke: Der ist sogar gewaltig groß! Aber Volnay ist alles andere als ein feuriger Mustang. Als würde er meine Gedanken lesen, stupst er Aurelia an, um einen Leckerbissen zu ergattern. Und – schwupps – schon ist meine Tochter verliebt!


Für Familien top: die Pferdewagen-Tour durch Frankreich

Am nächsten Morgen wachen wir bei Sonnenaufgang auf. Morgennebel taucht die Landschaft in weiches Licht, ein paar Hähne krähen quer durch den Ort. Die Pferde schnauben von der Koppel bis zu unserer Roulotte hinüber. „Papa, weißt du noch alles?“, sorgt sich Theodor ein wenig. Und da ich nie auf einem Pferd gesessen oder eine Kutsche gelenkt habe, muss ich zugeben: Ich bin ein wenig aufgeregt und nervös. Doch die anfallenden Arbeiten vertreiben die Zweifel.

Die Pferdepflege gehört in der Woche zum Pflichtprogramm ©Knud Harms

Unsere Handgriffe sitzen. Der Zughaken muss ans Kummet, die Kinnkette an die Zügel, der Bauchgurt an die Deichsel. Eine halbe Stunde später steht Volnay zugbereit vor unserer Roulotte und wir starten, Thomas auf den ersten Kilometern an unserer Seite. Über eine kleine Straße geht’s hinaus aus dem Ort. Vor uns breitet sich die hügelige, sanft gewellte Landschaft aus.

Klapp-klapp, klapp-klapp: Die Reise mit dem Pferdewagen ist total entscheunigend ©Knud Harms

Volnay trottet langsam vorwärts, „auch das Pferd muss seinen Kutscher erst einmal kennenlernen“, erklärt Thomas. Wir üben Lenken und Bremsen. „Nach zwei Tagen werdet ihr schon ganz vertraut miteinander sein“, prophezeit Thomas. Nach einer knappen Stunde Training gibt er mir 92 von 100 Punkten für meine Kutschfertigkeiten, seiner Meinung nach eine top Punktzahl. So entlässt er uns samt Pferd und Roulotte in den Urlaub.

Entschleunigend und abenteuerlich: Familienurlaub mit Pferd und Kutsche

Wir zuckeln in gemütlichem Tempo über verkehrsarme Straßen und durch kleine französische Orte, an Feldern entlang und durch lauschige und herrlich kühle Wälder. Blumenwiesen und Obstbäume säumen den Straßenrand. Fast könnten wir uns während der Fahrt Äpfel, Pflaumen und herrlich süße Mirabellen von den Bäumen pflücken. Als wir an einem besonders üppig gefüllten Mirabellenbaum vorüberfahren, rufe ich laut „Oh, schaut mal die Mirabellen!“ Keine besonders gute Idee, wie ich schnell merke. Denn ein langgezogenes „Ooooola“ bedeutet dem Pferd, stehenzubleiben – und mein „Oh“ klingt offenbar ganz ähnlich. Volnay gehorcht sofort und steht. Geistesgegenwärtig trete ich auf die Bremse, um unserem Zugpferd nicht mit der Kutsche in die Hinterbeine zu fahren.

Die täglichen Etappen sind zwischen zehn und 15 Kilometer lang ©Knud Harms

Bei einer wundervoll langsamen Reisegeschwindigkeit von drei bis vier Kilometern pro Stunde können wir sogar einzelne Blumen und die vielen bunten Schmetterlinge am Straßenrand bestaunen. Nichts kann uns hier und jetzt zur Eile antreiben. Mal sitzen wir summend auf dem Kutschbock, mal schlendern wir gemütlich neben unserem rollenden Ferienhäuschen. Als Volnay irgendwann schnaubt, weil ich rechtzeitig vor einer Abfahrt auf die Bremse trete, erklärt mir Aurelia: „Volnay sagt, dass du das gut machst. Wenn Pferde schnauben, sind sie zufrieden.“ In der Tat scheint Volnay mit jeder Stunde, die wir ein Gespann bilden, mehr Vertrauen in uns zu fassen. Inzwischen geht er auch an anspruchsvollen Stellen zügiger.

Manchmal führen die Etappen durch kleine, schnörkellose Dörfer ©Knud Harms

Die Vogesen: Wie geschaffen für Touren mit dem Planwagen

Auf jeder Tagestour gibt es einen kleinen Rastplatz, der sich meist etwa in der Mitte der Strecke befindet. Hier können wir unser Pferd ausspannen und grasen lassen. Diese einstündige Pause nutzen wir für ein zweites Frühstück, Volnay bekommt einen großen Eimer Wasser, ein kleines Leckerli und natürlich ein paar Streicheleinheiten. Oftmals döst er dann, ein Hinterbein angewinkelt und mit halb geschlossenen Augen.

Nach ein paar Tagen sind Aurelia und der gut 900 Kilogramm schwere Volnay ein Herz und eine Seele ©Knud Harms

Zwei Tage später verbringen wir den Nachmittag an der alten Hofstelle des Klosters in Saint Berthaire. Wir planschen in einem idyllischen Badeweiher, trinken Kaffee unter einer uralten, ausladenden Linde und sind uns sicher, dass wir zwischen den Ziegen, Hühnern, Holunder- und Apfelbäumen unser Paradies gefunden haben. Ich genieße still und lasse meinen Blick umherwandern: Blühende Blumenwiesen wellen sich über die sanften Hänge, Insekten surren durch die Luft. Einfach herrlich.

Perfekte Idylle: Die Standplätze auf dem Weg sind ganz unterschiedlich, aber immer wunderschön ©Knud Harms

Unsere Gastgeberin Madame Renate tafelt am Abend frischen Mirabellenkuchen für die Erwachsenen und Eis für die Kinder auf. Und wir? Genießen die Entschleunigung, die Stunden auf diesem zauberhaften Bauernhof.

Am nächsten Morgen serviert Madame Renate uns noch Kaffee und Brioche. Dann machen wir uns auf – zum nächsten Ziel. Unsere Zugmaschine auf vier Hufen setzt sich in Bewegung, „allez“, ruft Aurelia, so lässig, als hätte sie in den vergangenen elf Jahren kaum etwas anderes getan als neben mir auf einem Pferdewagen zu sitzen.

Meist sind die Stellplätze ganz in der Nähe der Pferdekoppel ©Knud Harms

Nicht notwendig: fundierte Pferdekenntnisse

Der vierte Tag. Inzwischen wissen wir genau, welcher Riemen wohin geschnallt werden muss. Wir haben den Umgang mit der Bremse gelernt, soweit zumindest, dass wir Volnay weder in die Hacken fahren noch seinen Lauf stoppen. Wir ziehen auf staubigen Straßen übers Land, springen immer wieder ab und pflücken im Vorbeigehen wilde Himbeeren und Brombeeren von den Sträuchern. Bis wir gegen Abend an unserem nächsten Etappenziel ankommen: am Sportplatz von Vauvillers. Der ist zwar nicht so malerisch wie manch anderer Platz, beschert uns aber mal wieder Anschluss an die Zivilisation, an einen kleinen Ort mit einem Supermarkt, in dem wir am nächsten Morgen sogar frische Croissants kaufen können.

Alles ist ganz unaufgeregt hier, tief in den Vogesen. Die Dörfer, die Höfe, Entspannung pur! ©Knud Harms

Ein lauschiges Plätzchen reiht sich ans nächste. Mal stehen wir zentral auf einem kleinen Platz gegenüber einer alten Kirche, mal parken wir unsere Roulotte auf einem Bauernhof neben drei zutraulichen Eseln. Am vorletzten Tag unserer Tour entdecken wir direkt neben einer alten steinernen Bogenbrücke einen Badeplatz am Flüsschen Le Coney in Selles. Aurelia und Theodor lassen sich mit der Strömung treiben und rufen begeistert: „Das ist wie eine kleine Wasserrutsche!“ Später decken wir uns in der kleinen Bäckerei im Ort mit himmlisch-süßen Eclairs und weiteren französischen Köstlichkeiten ein und veranstalten ein gemütliches Picknick. „Oh, ist das lecker“ schwärmt Aurelia, als sie mit Blick über den Fluss in eine riesige Kugel aus Baiser und Schokoladencreme beißt. Leben wie Gott in Frankreich!

Ein top Spot für einen Stopp: das Ufer des Le Coney in Selles ©Knud Harms

Fazit: Die Pferdewagen-Tour durch Frankreich ist top für Familien

Knapp 75 Kilometer liegen hinter uns und nur noch die letzte Etappe vor uns – zurück nach Fontenois-la-Ville. Morgen werden wir uns von Volnay verabschieden müssen, der inzwischen fast schon ein Familienmitglied für uns geworden ist. Aurelia und Theodor werden als Erinnerung noch jeweils ein Hufeisen bekommen. Sie werden ein paar Tränen vergießen und auf der Rückfahrt Pläne für unsere nächste Planwagentour schmieden.

Am Ende wird die Trennung von Volnay schwerfallen, und Aurelia und Theodor möchten wiederkommen ©Knud Harms

„Dann wollen wir aber unbedingt wieder mit Volnay fahren“, werden sie sagen. Und ich? Ich werde zurückblicken auf eine intensive Woche, die entschleunigend, manchmal anstrengend, immer wunderschön und ein echtes Abenteuer war.

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