Cindy Ruch ist Reisejournalistin, Autorin, Fotografin – und leidenschaftliche Bahnfahrerin. Die 36-Jährige ist mit dem Zug durch Deutschland und in andere europäische Länder gereist. „Ich liebe den Moment, wenn der Zug losfährt, ab da muss ich nichts mehr machen, außer unterwegs zu sein“, schreibt Cindy im Vorwort ihres Buches Europa mit dem Zug. Inzwischen stimmt das nicht mehr ganz, denn heute reist Cindy meist mit ihrer kleinen Tochter.

Bahnreisen sind zweifelsohne nachhaltiger als Reisen mit Flugzeug oder Auto. Aber als Familie mit dem Zug in den Urlaub fahren – ist das eine gute Idee? Wir haben mit Cindy Ruch darüber gesprochen.
Bahnreisen mit Kindern: kommunikativ und entspannend
Viele schimpfen auf die Bahn: teure Tickets, die ständigen Verspätungen, volle Abteile, und das Bistro ist nun wirklich kein Sternerestaurant. Meckern auf die Bahn ist fast schon ein Volkssport. Wie geht’s dir beim Bahnfahren?
Cindy: Ich bin immer super entspannt in der Bahn, auch jetzt – seitdem ich mit meiner Tochter reise. Dort machen wir eigentlich das Gleiche wie zu Hause: Wir essen, wir spielen, wir lernen im Familienabteil andere Kinder kennen. Dadurch sind die Bahnreisen anders als früher – kommunikativer.

Du warst schon vor der Geburt deiner Tochter überzeugte Bahnreisende. Daran hat sich nichts geändert?
Cindy: Nein. Mir erscheinen die Reisen mit der Bahn als die einfachere Art, mich fortzubewegen. Man hat einfach Zeit für das Kind und für sich. Ich kann nur sagen: Für mich sind die Reisen mit der Bahn keine abgesessene Zeit, es ist Reisezeit.

Wie alt war deine Tochter, als du zum ersten Mal mit ihr per Bahn gereist bist?
Cindy: Sie war 11 Monate alt. Es war eine Fahrt mit dem Nachtzug, und in unserem Abteil war noch eine andere Frau, die fragte mich gleich zu Beginn: Schläft Ihre Tochter durch? Damals schlief sie noch nicht durch … Zum Glück hatte die Frau Ohropax dabei.

Wahrscheinlich hast du dir vorher Gedanken gemacht, oder?
Cindy: Ja, ich war schon etwas nervös. Wären wir allein im Abteil gewesen, wäre ich wahrscheinlich entspannter gewesen. Doch meine Tochter hat auf dieser ersten Reise tatsächlich richtig gut geschlafen. Ich habe mich damals sehr gefreut, weil ich festgestellt habe: Zugreisen funktionieren auch mit Kind!
Lumao-Buchtipp: Europa mit dem Zug
Schluss mit den Meckereien über die Bahn! Reisejournalistin Cindy Ruch hat mit ihrem Buch “Europa mit dem Zug” ganz andere Töne angeschlagen. Die Quintessenz: Bahnfahren ist nachhaltig – und funktioniert wunderbar mit Kindern!
Dann hast du wahrscheinlich viele Pläne. Kannst du uns drei Bahnreisen nennen, die du Familien ans Herz legen kannst?
Cindy: Da gibt es so viele. Eine haben wir kürzlich gemacht: Wir sind von Berlin nach Budapest gereist. Der Zug fährt abends in Berlin ab, und am nächsten Morgen ist man in Budapest, von da aus sind es nur zwei Stunden bis zum Balaton. Das ist eine tolle Sommerreise!
Empfehlenswert: Bahnreisen über die Alpen
Ein Klassiker, aber trotzdem unbedingt empfehlenswert: jede Strecke über die Alpen. Entweder man steigt abends in den Nachtzug und kommt morgens in Italien an. Ober man fährt tagsüber durch die Alpen, das ist für Kinder auch superspannend. Sie können die Bergspitzen bestaunen, in die tiefen Schluchten schauen, die Vögel beobachten, die hoch oben in der Luft kreisen. Ich habe das schon oft gemacht, und trotzdem: Die Alpenüberquerung mit dem Zug ist immer wieder beeindruckend.

Und noch zwei Tipps: Mit dem Nachtzug nach Stockholm, von da aus kann man mit dem nächsten Nachtzug zum nördlichen Polarkreis fahren. Im Winter sieht man aus dem Zug die Polarlichter – das ist wirklich beeindruckend. Und auch eine Bahnreise am Mittelmeer entlang ist toll – nach Genau und weiter Richtung Rom. Man fährt stundenlang an der Küste entlang, an superschönen Stränden vorbei. Eigentlich möchte man ständig aussteigen!

Da hat man im Idealfall ein Ticket, das sich flexibel nutzen lässt bzw. mit dem man die Fahrt immer wieder unterbrechen kann.
Cindy: Genau. Es gibt in der Regel verschiedene Angebote: Sommertickets in Italien und Dänemark, den Super Sparpreis Europa, da muss man ein bisschen recherchieren. In Deutschland und einigen anderen Ländern reisen Kinder bis 14 Jahre kostenlos, wenn mindestens ein Elternteil dabei ist. Das ist schon ein Argument: Wer das Flugzeug wählt, zahlt für die Kinder, in der Bahn fahren Kinder lange umsonst mit!

Gibt es Unterschiede zwischen den Bahnen in den europäischen Ländern?
Cindy: Ja, das kann man schon sagen. Die Züge in Osteuropa sind in der Regel älter. Da gibt es zum Beispiel öfter keine Klimaanlage, stattdessen macht man einfach die Fenster auf.
Bahnstrecken in Europa – Tipps für Familien
Hast du noch ein paar Tipps für uns? Coole Bahn-Klassiker für Familien, tolle Züge, die gerade für Kinder empfehlenswert sind?
Cindy: In Schottland gibt es den Harry-Potter-Zug, der kommt bei Familien bestimmt gut an. Der alte Dampfzug fährt von Fort William bis ins Fischerdorf Mallaig – Zug und Kulisse tauchen in mehreren Harry Potter-Filmen auf. Aber ich finde, auch die Reise mit der Harzer Brockenbahn ist ein Erlebnis. Und in der Schweiz gibt es besonders familienfreundliche Züge: In vielen Fernverkehrszügen gibt es Familienwagen, in denen ein Spielplatz integriert ist.

Das klingt superspannend. Noch mal zwei ganz praktische Fragen, erstens: Reservierst du immer Plätze?
Cindy: Ja. Als meine Tochter kleiner war, habe ich das Kleinkindabteil reserviert, da passt sogar ein Kinderwagen rein, das war sehr angenehm. Jetzt versuche ich immer, Plätze im Familienbereich zu reservieren. In diesem Wagen gibt es auch eine Toilette mit Wickeltisch. Außerdem kann man mit der Familienreservierung – die kostet aktuell 9 Euro – mehr Plätze reservieren, als man eigentlich braucht. So kann sich meine Tochter auf der Fahrt auch mal auf zwei Sitzen ausbreiten und schlafen.

Letzte Frage: Gibt es Dinge, die Eltern mit (kleinen) Kindern unbedingt auf einer Bahnreise dabeihaben sollten?
Cindy: In erster Linie: Reichlich zu essen! Ich habe das Gefühl, dass meine Tochter essen möchte, sobald wir uns im Zug niedergelassen haben. Und das setzt sich auf der Fahrt immer weiter fort. Daher nehme ich immer reichlich Snacks und Getränke mit.

Hilfreich finde ich auch – gerade für kleinere Kinder – ein Tuch als Decke dabeizuhaben, zum Schlafen oder um eine kleine Höhle zu bauen. Dann natürlich noch kleine Bücher, Spielzeuge, etwas zum Basteln.