Gut, es regnet manchmal, und ein paar Mücken gibt es auch. Trotzdem steht am Ende der Tour mit dem Camper fest: Schweden ist ein tolles Ziel für Eltern und Kinder!
Gewarnt war ich ja. Jedes Kind weiß schließlich, dass es in Schweden Mücken wie Sand am Meer gibt und reichlich Regen. „Und dann auch noch im Wohnmobil – zu fünft!“ Abwechselnd schütteln mein Mann und ich den Kopf über unsere Urlaubsidee. Platzregen trommelt aufs Dach, unser Jüngster wimmert leise, weil ein von uns unterschätztes Gewittertief unseren Tisch samt Abendbrot umgeworfen hat. Und Tim und Nora drücken ihre Nasen ans Fenster und zählen die zu Bruch gegangenen Teller: „Es sind vier! Und zwei Gläser!“

Dabei war die Welt eben noch in Ordnung. Im Hafen von Fjällbacka gab es schwedisches Blaubeereis und wärmende Sonnenstrahlen vor leuchtendroten Holzhäusern, bunte Schiffchen schaukelten in den Wellen, kurz darauf haben wir einen der letzten freien Plätze auf dem nahen Campingplatz ergattert und uns auf den uns zugeteilten sieben mal sieben Metern ausgebreitet. Klapptisch und Stühle raus, das Sonnendach ausfahren, Spielzeug ausladen, Stromverbindung legen. Zwischen zwei Schlückchen Wein lernten wir unsere vorübergehenden Nachbarn kennen. Links wurde Erbsensuppe gekocht, rechts grillte man Würstchen.

Am nächsten Morgen ist der Nebel so dick wie die nachbarliche Erbsensuppe von gestern Abend. Ich studiere Reiselektüre und die nächsten Ziele. 470 Plätze bietet der Campingplatz, der heute auf unserem Weg liegt, ein anderer hat Platz für 250 Camper. Schön sollen sie sein, zwischen Wald und Wasser gelegen, mit einem Schwimmbad mittendrin und einer kleinen Bar. Aber: Haben wir uns das so vorgestellt?

Hier gibt es viele Dörfer à la Bullerbü
Ehrlich gesagt: nein! Als wir unsere Sommerreise durch Südschweden beschlossen, träumten wir von plüschgrünen Wäldern zum Beeren- und Pilzesuchen, von Lichtungen unter sommerblauem Himmel und schwedischen Dörfern à la Bullerbü. Wir legten unsere Route fest: von Göteborg aus einmal quer durchs Land. Wollten unser rollendes Ferienhaus an Seeufern parken, die so einsam sein sollten wie der Bauernhof von Tomte Tummetott, wir wollten vom Bett aufs Wasser blinzeln und uns später an Schwedens Ostküste auf blanken Felsen räkeln. Ein paar Tage haben wir für Astrid Lindgrens Småland reserviert. Und auch noch Zeit für die sandige Südwestküste.

Einzigartig: das Allemannsrätt
Plötzlich der entscheidende Hinweis in meiner Lektüre: In Schweden gibt es das in der Welt einzigartige „Allemansrätt“, zu deutsch: das Jedermannsrecht. Was ist das? „Es stammt aus grauer Vorzeit und gestattet jedem, sich immer und überall in der freien Natur niederzulassen“, erklärt mir der Schwede, der ein paar Meter weiter auf seinem Handtuch döst. „Das heißt, wir dürfen überall baden, fischen und Feuer machen, vorausgesetzt, wir stören weder Natur noch Privatbesitz und hinterlassen keine Spuren?“, frage ich. „Genau“, sagt er, „und campen, wo es euch gefällt!“

In Schweden darf man (fast) überall campen
Am nächsten Morgen strahlt die Sonne über dem Abyfjord, an dem wir am Abend zuvor unser Wohnmobil abgestellt haben. Bäume wuchern die sanften Hügel hinunter, kleine Wellen klatschen gegen Stein, das Wasser funkelt türkis, weit und breit kein Haus. Ich danke den Schweden in Gedanken für ihr Allemannsrätt und mache Frühstück. Die Kinder lassen Bändchen mit Muschelfleisch ins Wasser baumeln und ziehen wie Lisa, Lasse und Bosse aus Bullerbü einen Krebs nach dem anderen hoch. Als der Kaffee fertig ist, wimmelt es um uns herum von Scherentieren. Frühstück gibts im Gehen, sicher ist sicher. Dann scheuche ich die Krebse ins Wasser. Tim angelt. Und Jakob setzt mit Eimer und Gießkanne alles rundherum unter Wasser.

Schwedenglück wie aus dem Bilderbuch
Mit jeder Stunde wärmt die Sonne mehr, am Mittag fühlen wir uns fast wie in Süditalien, springen ins glasklare Wasser, krabbeln wieder raus, breiten Decken aus, lesen, kochen und singen wie Pippi „Faul sein ist wunderschön“. Ziemlich genau 15 Quadratmeter rollende Wohnfläche stehen uns zur Verfügung, mit Küchen- und Essecke, mit fünf Schlafplätzen, jeder Menge Stauraum und einem Badezimmerchen. „Garnicht klein und ganz schön!“, hatte Nora beim ersten Anblick beglückt gesagt. Stimmt. Vorausgesetzt, es stehen morgens nicht alle gleichzeitig auf. Und man stört sich nicht daran, dass es im Inneren ununterbrochen aussieht wie nach einer Massenkarambolage auf einer Verkehrskreuzung.

Ein top Familienprogramm: Astrid Lindgrens Welt entdecken
Zwei Tage später fällt feiner Nieselregen aus blassgrauen Wolken. Wohin fahren? Noch ein wenig die Wälder durchstreifen und ein, zwei Seen ansteuern? „Zu Lotta!“, bestimmt Nora. „Nach Lönneberga!“, ruft Tim. Wir streifen das 600 Jahre alte Eksjö, ein kleines schwedisches Städtchen mit Holzhäusern aus längst vergangenen Tagen und verwunschenen Gärten, marschieren eine Weile über holpriges Kopfsteinpflaster und durch altertümliche Gassen. Danach ist Astrid Lindgren plötzlich allgegenwärtig. Am Ortseingang von Mariannelund steht ein hölzerner Michel mit einer Suppenschüssel auf dem Kopf. Ein paar Kilometer weiter ein Schild: Katthult, nächste rechts. Wir folgen und stehen kurz darauf zwischen rot getünchten Holzhäusern, in denen „Michel aus Lönneberga“ gedreht wurde. Im Tischlerschuppen zählt Tim die geschnitzten Holzfiguren. „Ich dachte, die Geschichte wäre erfunden?“, wird er später sagen. „Aber da lag ja sogar noch Michels Messer!“

Bullerbü heißt eigentlich Sevedstorp
Småland – das sind unzählige Seen, Tannenwälder und krebsrote Sommerhäuschen, da spielen die Geschichten von Pippi Langstrumpf und den Kindern aus Bullerbü, das eigentlich Sevedstorp heißt und auch in Wirklichkeit so idyllisch wirkt wie in den Büchern. Mittendrin, in Vimmerby, der einstigen Heimat der Autorin, liegt der Astrid-Lindgren-Vergnügungspark, in dem ihre Geschichten lebendig werden: Da sitzt ein leibhaftiger Karlsson auf dem Dach und Michel schnitzt Figuren, da trägt Pippi ihr Pferd spazieren und meine Kinder erobern Ronja Räubertochters Mattisburg.

Lauter tolle Plätze, wie geschaffen für Familien
Am Abend finden wir einen weiteren Flecken Blau, dieses Mal bei Nyshult. Wieder ein See für uns allein, mit Rutsche, an deren Ende Nora geradewegs im Wasser landet und einem Steg zum Angeln. Am Strand liegen Eimer und Schaufeln und ein großer Raupenbagger, nachdem sich jeder deutsche Kindergarten die Finger lecken würde. Für wen? „Für die Kinder“, sagt die blonde schwedische Studentin, die einen kleinen Kiosk am anderen Seeufer hütet. Und dann fragt sie: „Soll ich euch morgen früh Brötchen bringen?“

Die Straße Richtung Ostküste durchneidet den Wald schnörkellos, Stunde um Stunde rauschen wir durch Grün, das aussieht wie zu Zeiten der Dinosaurier, hin und wieder glitzert einer der rund 6.000 Seen Südschwedens durchs Dickicht. Die Kinder malen Bäume und Elche und unser Wohnmobil. Kurz vor Mittag wechsele ich nach hinten, schmiere Brote, schneide Äpfel. Bis wir irgendwann vor Schwedens zerschlissener Küste stehen, Hunderte von Schäreninseln im Blick und Västervik im Rücken. Sportboote dümpeln vor der Promenade, Fischerboote laufen in den Hafen ein. Wir besorgen Knäckebrot und Erdbeeren, steuern Gransö an, eine mit dem Festland durch einen schmalen Damm verbundene Insel und finden ein einsames Plätzchen zwischen Fichten oberhalb eines winzigen Sandstrands.

Fichten, Kiefern, Tannen, soweit das Auge reicht
Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Wir tauchen in der Natur unter, in Wäldern, die nicht zu enden scheinen. Immer wieder Fichten, Kiefern, Tannen soweit das Auge reicht, hin und wieder eine Lichtung, ein See, ein Elch, dann wieder Fichten, Kiefern, Tannen. Wir baden, angeln, grillen selbst gefangene Forellen, machen Feuer. Dösen in der Sonne. Kochen und waschen ab. Wir suchen nach Pippis Limonadenbaum und lesen, natürlich Astrid Lindgren. Nur hin und wieder stört ein kleiner Schauer, die Mücken sind kaum der Rede wert. Wer will da zweifeln an Astrid Lindgrens Behauptung, dies sei das schönste Land der Welt?
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Fast überall erlaubt: Übernachtung mit dem Wohnmobil am Strand
Zurück an Schwedens Westküste. „Papa, was machst Du?“ Tims Irritationen gelten der Tatsache, dass unser rollendes Ferienhaus die Straße verlassen hat und nun über den festen Nordseestrand rollt, das Meer zur Rechten. „Ich fahre über den Strand, und da hinten“, sagt mein Mann und zeigt auf eine hölzerne Garnitur aus Tisch und Bänken, „da übernachten wir“. Tatsächlich: Auch an den meisten Stränden zwischen Halstad und Göteborg darf man sich häuslich niederlassen. Wir haben den Mellbystrand gewählt und rennen kurz darauf allesamt ins kalte Meer.

Zwei Tage bleiben uns noch, bis wir samt unserem Camper wieder im Schlund der Fähre verschwinden werden. Zwei Tage, von denen jeder seine eigene Vorstellung zu haben scheint. Tim möchte angeln, am liebsten auch mal nach Lachsen im dafür berühmten Fluss Ätran, Nora baden, ganz egal wo. Jakob will am liebsten nochmal die Geschichte von Michel hören und Micha gern nach Marstrand, weil das auf zwei Schäreninseln gelegene Städtchen wunderschön und autofrei ist. Wir rasten am Ätran und rauschen noch einmal an Göteborg vorbei, lassen den Campingplatz links liegen und finden einen kleinen Strand. Angeln, baden und buddeln. Schlendern später durch den exklusiven Ferienort Marstrand, in dessen Hafen glänzende Yachten dümpeln. Der Himmel ist aprikosenfarben, nur am Horizont türmen sich tiefschwarze Wolken auf. Aber warum aus einer Mücke einen Elefanten machen?
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