„Ist das kalt hier!“ staunt meine Tochter und drückt ihre Nase am Fenster platt. Die Anzeige hinter dem beschlagenen Glas ist in der vergangenen Nacht auf minus 17 Grad gesunken. Sie starrt hinaus, bewundert die Eiskristalle, fragt mich, was sie alles anziehen soll bei diesen Temperaturen. „Alles, was wir mithaben“, schlage ich vor, und krame Lage um Lage aus dem Kleiderschrank hervor. Das wird hoffentlich wärmen – ebenso wie die Sonne, die jetzt langsam über die gegenüberliegenden Hügel klettert.

Eine Stunde später stapfen wir durch den knirschenden Schnee, das Rillenmuster, das die Pistenraupen ins makellose Weiß gezeichnet haben, ist noch jungfräulich. Es ist kurz vor neun, gleich öffnen die Lifte. Warteschlangen? Fehlanzeige. Schließlich befinden wir uns in Norwegen, ganz genau: im Trysilfjellet, dem größten Skigebiet hierzulande. Und hier gibt es keine Schlangen an den Liften – das hatte mir eine Freundin versichert, die regelmäßig hierherfährt.

Winter auf norwegisch: Elchfondue und Hundeschlittentouren
Hier, rund zweieinhalb Autostunden nördlich von Oslo und nahe der Grenze zu Schweden, lassen sich Winterferien der besonderen Art verleben. Natürlich kann man in Trysil Pisten runterwedeln, „aber wir werden noch weit mehr unternehmen“, kündige ich meinen Kindern an, während wir auf die Öffnung der Lifte warten. „Wir werden uns zum Beispiel von blauäugigen Huskys durch die weiße Winterlandschaft ziehen lassen und Elchfleisch kosten, aber dazu später …!“


Norwegens größtes und meistbesuchtes Skigebiet befindet sich auf dem 1.132 Meter hohen Trysilfjellet, der im Vergleich mit den Alpen fast ein Zwergberg ist. Doch das Klima und die nördliche Lage bescheren diesem Skigebiet Winterbedingungen wie in den Hochalpen – nur eben ohne Massenabfertigung. An den Hängen des vulkanartigen Berges verteilen sich 32 Skilifte und 66 Abfahrten, sanfte gleichermaßen wie schwarze Pisten.
Prädikat familienfreundlich: das Skigebiet von Trysil
In den ersten zwei, drei Tagen testen wir die harmloseren Abfahrten, zum Beispiel die blaue Nummer 13. Sie windet sich durch verschneite Wälder den Berg hinunter und streift hin und wieder eine Hütte, etwa die hölzerne „Skihytta“, ein uriges Bergrestaurant. Hier nehmen wir an einem Mittag auf der sonnigen Terrasse Platz, bestellen Kartoffelbrei und danach heiße Schokolade und genießen den Ausblick und die wärmenden Sonnenstrahlen, während meine Kinder einen mannshohen Schneemann bauen.

Am nächsten Tag steht die Schneeschuhwanderung auf dem Programm. Die Schneeschuhe stammen aus Nordamerika, lernen wir gleich zu Beginn der geführten Tour, Indianer und Trapper sind damit früher durch die verschneite Landschaft gestapft. Wir tun es ihnen gleich und stolpern los.

Fuß vor Fuß vor Fuß. Über Querfeldeinpfade und durch unberührte Schneelandschaften, in denen allenfalls Spuren von ein paar Elchen zwischen den Tannen zu sehen sind. „A propos“, sagt Runa, eine blonde Norwegerin Mitte 30, die mit uns wandert: „Rund um Trysil gibt es landesweit die meisten Elche! Elch zu probieren, gehört hier zum guten Ton!“
Praktisch für Familien: die öffentlichen Grillhütten für die Mittagspausen
Also fahren wir am Abend mit einem Schneemobil hinauf zur Knettsetra-Hütte. Kerzen flackern in der hölzernen Gaststube, es duftet würzig. Kurz darauf werden ein Fondue-Topf mit heißer Brühe und Elchfleisch serviert, dazu Kartoffeln und Salat. „Hmmm“, murmelt mein Ältester vor sich hin, während er einen Happen Elch verspeist. „Das schmeckt gar nicht so schlecht.“

Zwei Tage später testen wir mittags eine der öffentlichen Grillhütten, in denen sich Winterurlauber am Mittag selbst versorgen können. Wir packen unsere Rucksäcke aus, geschmierte Brote, gekochte Eier, Äpfel, Nüsse und Schokolade, dazu heißen Tee. „Die meisten Familien veranstalten hier mittags ein Picknick“, hatte Runa mir erzählt, „so muss man sich nicht in den teureren Hütten versorgen.“

Gar nicht so schwer: das Hundeschlitten-ABC
Tag fünf unserer norwegischen Winterferien, der Tag, an dem wir uns von Huskys durch den Schnee ziehen lassen wollen. Schon nach ein paar Minuten Autofahrt taucht die Mountain King’s Sledehundkennel rechts der Straße auf: Dutzende kleine Hundehütten zwischen verschneiten Tannen. Huskys kläffen. Schlitten warten in den milchigen Sonnenstrahlen auf ihren Einsatz. Mittendrin steht Terje Bråten, ein kräftiger Norweger und Chef der rund 60 Huskys.

Mit Terje’s Hilfe schnallen wir je acht der Huskys vor die flachen Schlitten, währenddessen lernen wir schnell das Hundeschlitten-ABC: Man lenkt, indem man seinen Oberkörper verlagert, und gebremst wird mit der Fußbremse. „Alles andere machen die Hunde!“, sagt Terje – und treibt seine und unsere Vierbeiner an. Sie rasen in die erste Kurve, mir bleibt kurz das Herz stehen, die Schlitten heben fast ab, fangen sich wieder und schlittern kurz darauf gleichmäßig durch einen tief-verschneiten Waldabschnitt. Weiter, immer weiter und über einen zugefrorenen See.

Eine Stunde später sitzen wir bei heißem Beerentee und Würstchen am Spieß in einer Hütte mitten in der norwegischen Wildnis. „Das ist sooo cool!“, schwärmt mein Jüngster. „Die Hunde sind so süß und die Hundeschlitten cooler als jedes Auto. Ich glaube, ich werde später auch so ein Huskymann!“
