Flensburg und die deutsch-dänische Grenze liegen hinter uns, vor uns erstreckt sich das dänische Festland, das sich einige hundert Kilometer weiter nördlich in Skagerak und Kattegat stürzt. Ein weißer Flaum liegt auf dem Land, durch das wir rauschen. Als wir in Höhe Kolding gen Westen abbiegen, setzt Schneetreiben ein. Im Schneckentempo tuckern wir durch Jütland, Richtung Esbjerg und noch ein kleines Stück weiter: nach Vejers Strand. Dünen, soweit das Auge reicht. Die Reetdächer tragen Hauben wie aus Puderzucker, die Wege sind kaum zu erahnen. “Da ist das Meer!” quietscht meine Tochter irgendwann von hinten, und dass sie zuerst an den Strand möchte.

Auch im Winter schön: Wind, Wellen und Watt
Also weiter, an den Häusern vorbei und fast bis ans Meer, das dunkel schäumend und in großen, wilden Brechern an den endlos scheinenden Strand stürmt, der nicht goldgelb und watteweich ist sondern fest und spiegelglatt. Nur hin und wieder sind Wellen aus Sand in der Kälte erstarrt. Kein Strandkorb weit und breit. Dafür hier und da ein bisschen Treibgut, mannsgroße Baumstämme, angeschwemmte Fischernetze, ein kleiner, toter Wal. So also sieht die dänische Nordsee im Winter aus!

Seit gestern sind wie nun hier. Inzwischen haben wir uns eingerichtet in unserem Ferienhaus, haben die mitgebrachten Lebensmittel in Schränke sortiert und Spielzeug verstreut.

Und natürlich als erstes gemeinsam den kleinen, flachen Anbau in Beschlag genommen, das 18-Quadratmeter-Schwimmbad, den Whirlpool und die Sauna. “Ist das wirklich nur für uns?”, fragen meine Kinder unisono. Ja, es ist nur für uns! Zwei Minuten nach dieser Frage zieht sich eine Spur Hosen, Socken und Shirts durch das Haus, die am Rande des Pools endet.
“Weißt du, was wir heute Abend machen?”, fragt mein Mann, während ich Jacken verstaue und Schuhe stapele. Ich weiß es. Saunen und schwimmen, mindestens drei Mal in Folge. Ganz in Ruhe, wenn die Kinder selig schlummern. Und anschließend werden wir es uns mit einem Glas Wein vor den Kamin im Wohnzimmer gemütlich machen.
Ein top Ziel für Familien: Dänemark im Winter
Im Winter am Meer zu urlauben, scheint nur einen Nachteil zu haben: das Anziehen, das Schicht-über-Schicht auftragen, das Diskutieren um den dicken Pulli. “Muss das sein?”, murrt mein Ältester nun schon zum x-ten Mal, weil er über sein Sweatshirt auch noch Fleecepulli und Jacke ziehen soll. Ja, es muss sein! Dann dreimal Mütze aufsetzen, sechs Handschuhe überstülpen, dreimal den Schal umwickeln und eine kurze Ermahnung, dass die Sachen bleiben, wo sie sind. Basta!

Die Kids stürmen davon, lassen sich später faul im Bollerwagen ziehen, der hier mitunter mit zum Ferienhaus gehört. Wir klettern hügelauf und rutschen hügelab. Bewundern die filigranen Eiskristalle, die an den Dünengräsern kleben. Bis sich der Strand vor uns ausstreckt, abermals fast menschenleer und meilenweit.

Vejers Strand: kaum Einheimische, viele Ferienhäuser
Nicht mal 50 Einheimische leben in Vejers Strand, dazu kommen rund 1.000 Ferienhäuschen, die sich hier im Norden Dänemarks in die Dünen ducken.

Davor erstrecken sich viele, viele Kilometer feinster Sandstrand, der zum Teil mit dem Auto befahren werden darf. Ein wahres Paradies für Familien – mit kleinen schmucken Städtchen in der Nähe und dem superspannenden Wattenmeerzentrum in Ribe.
“Welche Tiere leben in dem Meer?”, will meine Tochter wissen, während wir dick vermummt vor den heranstürmenden Wellen davonlaufen. Wir zeigen es ihr am Nachmittag – im Fischerei– und Seefahrtsmuseum in Esbjerg: Schauen Robben beim Fischefüttern zu und verfolgen Knurrhahn und Kabeljau, Hering und Hai. Und bestaunen danach noch die Entwicklung der Seefahrt von den Wikingern bis heute, bis zum Zeitalter ultra-moderner Off-Shore-Bohrinseln.

Kalte Strandspaziergänge, warme Bäder
Ein paar Tage später landen wir in der ‚Dropskogeri‘, der Bonbonmanufaktur von Vejers Strand. “Probieren Sie nur!”, fordert Bonbonkocher Lone Flyvbjerg uns auf und offeriert uns rot-weiß-gestreifte ‚Bolsjer‘ und Zitroniges, Bonbons mit Ananas-Geschmack und aus Lakritze, Kaffee-Drops und Blümchen-Lollis. Wie könnte man da widerstehen? Können wir nicht – und suchen schnell fast ein Dutzend Tütchen aus – jeder nach seiner Geschmacksrichtung.

Und danach? Mützen auf, Schals um, Handschuhe an – und los. An den steif gefrorenen Gräsern und Eisblumen vorbei. Den Strand entlang. Bis ins Ferienhaus. Die Haut kribbelt, Hände und Füße sind kalt und die Wangen rot. Schnell ausziehen und rein in den wunderbar-warmen Whirlpool, in das Blubberbecken, wie die Kinder sagen. Ich schließe meine Augen und spüre, wie eine wohlige Wärme in mir hochkriecht, spüre, dass meine Lungen weit sind von der salzigen Nordsee-Luft und dass Urlaub am Meer auch im Winter gut tut. Richtig gut sogar. “Mama”, schnurrt meine Tochter in meine Gedanken, “können wir nicht hier wohnen?” Können wir nicht, leider. Aber wir können wiederkommen. Nächstes Jahr im Winter.
