Zurzeit fallen all unsere Reisen aufgrund der Corona-Pandemie aus. Doch kleine Abenteuer können wir trotzdem erleben – zum Beispiel direkt vor unserer Haustür. Wie das geht und wie genau so ein Mikroabenteuer aussieht, weiß Christo Foerster.

Der zweifache Familienvater hat den Begriff Mikroabenteuer nach Deutschland gebracht und Bücher darüber geschrieben. In Mikroabenteuer. Das Praxisbuch und Mikroabenteuer. Das Motivationsbuch sowie in seinem wöchentlichen Podcast Frei raus erzählt Christo, wie bereichernd es ist, ab und zu die eigene Komfortzone zu verlassen und kleine Auszeiten in der Natur zu genießen. Die passenden Ideen dazu liefert der sympathische Hamburger gleich mit. Wetten, dass ihr auch gleich Lust bekommt, mit euren Kids ein kleines Abenteuer zu wagen?
Raus und machen – kleine Abenteuer in der Natur
Lumao: Christo, du bist Experte für Mikroabenteuer. Was genau bedeutet der Begriff für dich?
Christo: Ein Mikroabenteuer ist ein Abenteuer, das in der näheren Umgebung stattfindet und wenig Aufwand erfordert – wenig Zeit, geringe Kosten und nicht viel Planung. Ich habe für mich mal drei Regeln definiert, an die ich mich bei meinen Mikroabenteuern halten möchte: Ich bin nicht länger als 72 Stunden unterwegs, ich benutze weder Auto noch Flugzeug, und wenn ich über Nacht unterwegs bin, schlafe ich draußen – ohne Zelt. Das wilde Zelten ist in Deutschland ja ohnehin nicht erlaubt. So komme ich raus aus meiner Komfortzone. Aber diese Regeln sind natürlich nicht allgemeingültig, denn wo die eigene Komfortzone endet, ist sehr individuell. Mir ist nur wichtig, die Abenteueridee hochzuhalten, also nicht jeden Spaziergang im Park gleich zum Abenteuer auszurufen oder ein Mikroabenteuer als Urlaub vor der Haustür zu sehen. Weil ein Abenteuer kein Urlaub ist, ganz einfach!

Lumao: Corona hindert uns zurzeit ja daran, große Reisen zu unternehmen. Hält uns die Pandemie auch davon ab, ein Mikroabenteuer zu erleben?
Christo: Im Gegenteil, die Corona-Krise hat viele überhaupt erst dazu gebracht, sich wieder mit den Möglichkeiten in der direkten Umgebung zu beschäftigen. Ich bekomme immer wieder Nachrichten von Menschen, die tief enttäuscht waren, dass ihre ursprünglichen Reisepläne zunichte gemacht wurden. Im Nachhinein sind sie jetzt dankbar für das, was sie vor der Haustür entdecken und erleben.

Der Nase nach zu reisen – das funktioniert auch jetzt und hier. Ihr könnt euch einfach in den nächsten Zug setzen, irgendwo aussteigen und mit dem Rad zurückfahren. Ihr könnt euch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu Fuß treiben lassen oder eine Nacht im Wald verbringen. Selbst jetzt, im Lockdown, ist eine Wanderung mit der Familie möglich, wenn wir die aktuellen und lokalen Regelungen berücksichtigen. Wir können von zu Hause aus loslaufen und müssen keine tagestouristische Aktion mit Anreise daraus machen.
Mikroabenteuer für die ganze Familie
Lumao: Du bist Vater von zwei Kindern. Kannst du die Mikroabenteuer auch Familien empfehlen?
Christo: Na klar! Kinder sind meist ohnehin die besseren Abenteurer, sie ticken nicht so in Zielen und planen alles durch, sie sind eher auf das Entdecken fokussiert. Da können wir viel von ihnen lernen. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Haltung überprüfen: Nicht wir sollten die Kinder mitnehmen auf ein Abenteuer, wir sollten uns von ihnen mitnehmen lassen.

Das bedeutet auch, den Kindern Verantwortung und Entscheidungsfreiheit zu geben. Sie die Richtung vorgeben lassen, den Zeitpunkt für eine Pause bestimmen oder den Platz für das Nachtlager auswählen lassen.
Lumao: Das heißt, wir sollen die Zügel aus der Hand geben?
Christo: Natürlich hilft es manchmal, einen Rahmen abzustecken, aber mehr braucht es meist gar nicht. Wir kennen es doch alle: Wenn wir die Kinder ständig antreiben müssen, zum Beispiel, weil wir uns mit der Wanderentfernung verschätzt haben, aber unbedingt um 18 Uhr zum Abendessen in der gebuchten Unterkunft sein müssen, ist das ziemlich sicher ein Motivationskiller. Dann kann das Mikroabenteuer schnell im Megastress ausarten. Doch was Kinder motiviert, ist auch typenabhängig, da brauchen wir als Eltern ein gutes Gespür. Ich bin mit meinem Sohn in zwei Tagen auf die Zugspitze gelaufen, als er sechs Jahre alt war, und kam selbst kaum hinterher. Diese zwei Tage waren sicher die intensivste Zeit, die wir miteinander erlebt haben. Und genau das sind Mikroabenteuer mit der Familie so oft: eine im besten Sinne intensive gemeinsame Zeit.

Toll: unterm Sternenhimmel schlafen
Lumao: Kannst du uns Mikroabenteuer empfehlen, die auch für Einsteigerfamilien geeignet sind?
Christo: Draußen unterm Sternehimmel schlafen ist für mich ein Mikroabenteuer par excellence, auch und gerade mit Kindern. Es muss ja nicht gleich der dunkle Wald sein, wobei Kinder auch da viel besser schlafen, als wir glauben. Aber warum nicht im Garten oder auf dem Balkon anfangen?

Auch ein guter Einstieg: Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu Fuß unterwegs zu sein, ohne irgendwo einzukehren und mit voller Entscheidungsgewalt für die Kinder. Sie allein dürfen den Weg bestimmen. Auch ein richtiges Outdoor-Dinner ist eine super Idee, zum Nachtisch gibt es dann zum Beispiel auf dem Gaskocher frittierte Brennnessel-Blätter. Ihr könnt mit dem Fahrrad zu den Großeltern fahren, statt wie sonst mit dem Auto, auch wenn es so vielleicht zwei Tage dauert. Ihr könnt auch einen ganzen Tag lang einem Bach folgen. Es gibt tausend Möglichkeiten, wir müssen nur lernen, sie zu sehen. Und wir müssen den Mut haben, die meist fadenscheinigen Gründe beiseite zu schieben, die dagegensprechen, einfach rauszugehen und zu machen.
Empfehlenswert: Das Buch zum Thema
Buchtipp: Mikroabenteuer – Das Praxisbuch
Raus und machen – so lautet das Motto des Abenteurers Christo Foerster. In diesem Buch findet ihr viele Ideen für kleine Abenteuer zwischendurch.
Lumao: Jetzt fängt die kalte Jahreszeit an. Sind Mikroabenteuer nur was für schönes Wetter oder bieten sich manche auch im Herbst und Winter an?
Christo: Für mich ist der Winter eine großartige Zeit für Abenteuer. Draußen ist weniger los und die Bedingungen erhöhen den Abenteuerfaktor fast automatisch. Eine Nacht unterm Sternenhimmel bei minus zwei Grad ist schon per se abenteuerlicher. Und die Waldrunde, die wir bei schönem Wetter locker in einer Stunde laufen, kann bei Dauerregen schnell zu einer kleinen Expedition werden. Sollte Schnee liegen, will sowieso jedes Kind nach draußen. Vollmondnächte sind dann übrigens ganz besonders hell, weil der Schnee das Mondlicht reflektiert.

Für das Wandern im Dunkeln müssen wir im Winter ja auch nicht bis Mitternacht wachbleiben, da kann man schon ab 16 Uhr für ein paar Stunden nächtliche Atmosphäre schnuppern. Grundsätzlich geht es zu jeder Jahreszeit vor allem um ungewöhnliche Ideen, darum, Dinge anders zu machen, als wir sie immer machen oder als „man” das macht. Ob Kinder allerdings große Lust auf weitere Mikroabenteuer verspüren, wenn sie bei Minusgraden bei Nacht draußen frieren, sei mal dahingestellt. Da spielt auch die Ausrüstung eine Rolle.
Die passende Ausrüstung für kleine und große Abenteurer
Lumao: Wie ist deine Erfahrung: Braucht man für Mikroabenteuer mit Kindern zwingend eine gute und umfangreiche Ausrüstung? Was sollte man unbedingt mitnehmen?

Christo: Ich bin grundsätzlich geneigt zu sagen: Je schlechter die Ausrüstung, desto größer das Abenteuer. Aber gerade in Bezug auf Kinder stimmt das nur bedingt. Wir sollten uns schon auf die zu erwartenden Bedingungen einstellen. Das können rutschfeste Schuhe sein, Wechselklamotten und Regenjacke und -hose. Wir sollten auch genug zu essen und zu trinken mitnehmen und Mücken-, Zecken- und Sonnenschutz. Ich bin dafür, dass Kinder einen eigenen Rucksack tragen, und wenn es nur ein Alibirucksack ist. Hier gehört auf jeden Fall ein eigenes Taschenmesser rein, und wenn es eins mit runder, stumpfer Spitze ist. Ein kleines Erste-Hilfe-Set sollten wir als Eltern ja ohnehin immer dabeihaben. Und wenn wir draußen schlafen, muss der Schlafsack unbedingt warm genug sein. Mit kleineren Kindern sind Doppelschlafsäcke toll oder solche, die sich zusammenzippen lassen. Auch ein Tarp ist sinnvoll, es hält den Regen ab. Fehlende Ausrüstung sollte aber kein Grund sein, nicht vor die Tür zu gehen. Notfalls leiht ihr euch einfach etwas von Freunden – oder passt das Abenteuer an. Wie gesagt: Es gibt tausend Möglichkeiten!

Kirsten Düspohl wuchs dort auf, wo andere Urlaub machen: in einem kleinen Ostseebad in Schleswig-Holstein. Inzwischen lebt sie seit mehr als zehn Jahren gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Hamburg. Die selbstständige Texterin und Redakteurin schreibt für verschiedene Werbeagenturen, Stiftungen sowie Blogs und Online-Portale.